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  • Wir müssen handeln:  Nachbericht zum 18. Inno-Meeting

    Wir müssen handeln: Nachbericht zum 18. Inno-Meeting

    Das Raumschiff Erde ist vom Nachschub abgeschnitten. Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen, als ihr zur Verfügung stehen. Rohstoffknappheit, Entsorgungsströme, der Umgang mit Wertstoffen, Umweltschutz, der Verbrauch zu vieler Erden – diese Schlagwörter bestimmen die Berichterstattung in den öffentlichen Medien.

    Die Verpackungsbranche steht unter medialem Beschuss: die Konsumentenwahrnehmung wird fehlgeleitet, und Kunststoffverpackungen sind böse. „Aber wie kann eine in Hochhäusern gestapelte Menschheit ernährt werden, wenn es keine Verpackungen gäbe?”, fragte Karsten Schröder bei der Einführung in die beiden Tage.

    Handeln! Das war das Schlagwort des 18. Inno-Meetings am 13./14. Februar in Osnabrück. Was ist mit Handeln gemeint: Müssen wir handeln, wollen wir handeln, sind wir vom Handel abhängig oder müssen wir über den Handel und das Handeln von Waren reden?

    Die gesamte Wertschöpfungskette der Verpackungsindustrie war vertreten. Die Referenten schilderten die spezifischen Herausforderungen, Anstrengungen und Lösungen, um die gesetzten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und gleichzeitig die über viele Jahrzehnte gewonnenen Erfolge mit Verpackungen zu bewahren.

    Die Natur lässt nicht mit sich handeln! Nur durch einen Ausgleich und eine Verbesserung der CO2-Bilanz können Unternehmen nachhaltig(er) werden. Das Klimaziel für Deutschland ist bis 2025 verschoben. Ein erster Schritt ist die Verbesserung und der Ausgleich der CO2-Bilanz. Walter Pohl, Climate Partners, erläuterte in seinem Vortrag, wie die CO2-Bilanz eines Unternehmens berechnet wird und durch Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden kann. Neben dem Klimaschutz ist der positive Effekt die Kostenersparnis, denn je mehr vermieden und reduziert wird, desto weniger muss ausgeglichen werden. Lieferanten werden sensibilisiert, und der Effekt potenziert sich.

    Heiko Hünemeyer, A. Moras & Comp. GmbH & Co. KG, handelt bereits. Er versteht das Nachhaltigkeits-Engagement als eine generationsübergreifende Verpflichtung. Das Thema Nachhaltigkeit ist seit Jahren im Unternehmen verankert. Seit 2015 liefert Moras seine Produkte ohne Mikroplastik aus. In Kooperation mit Climate Partner produziert die Firma seit 2018 komplett klimaneutral und ist seit 2019 plastikfrei.

    Am Beispiel seiner Verpackungen schilderte er eindrucksvoll, wie er dieses Ziel erreicht hat. Die Firma Schaebens (A. Moras & Comp. GmbH & Co. KG) hat die CO2-Emissionen unterschiedlicher Verpackungsformen berechnen lassen und daraufhin die Rezeptur auf die Verpackungen ausgerichtet/zugeschnitten.

    Heiko Hünemeyer sieht in der Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur eine generationsübergreifende Verpflichtung, sondern berichtete auch von Wettbewerbsvorteilen beim Konsumenten und auf dem Arbeitsmarkt. Positiver Nebeneffekt ist die Kosteneinsparung beim Dualen System durch gesunkene Abgaben. Besonderes Augenmerkt legte er auf die Differenzierung bei der CO2-Bilanz. Je nach Produkt, Vertriebs- und Anwendungsstrategie, sind unterschiedliche Verpackungslösungen optimal. Hier kann nur der Experte vernünftige Abschätzungen errechnen. Es gibt nicht die Optimalverpackung für alles.

    Karsten Schröder, Moderator und Firmeninhaber der Innoform Coaching GbR, sieht in Verpackungen einen Baustein unseres Wohlstands. Einerseits stehen Verpackungen unter Druck und keiner will sie, andererseits kommen wir ohne sie nicht mehr aus: „Denn wie kann eine stetig wachsende Menschheit, die vorzugsweise in Städten wohnt, ernährt werden, wenn es keine Verpackungen gäbe?”

    Während es 1950 kaum Verpackungsabfälle gab, und das Hausschwein mit dem Biomüll gemästet wurde, ist das Entsorgungssystem durch den grünen Punkt legitimiert, und die Abfallquote steigt an.

    Wie kann die Verpackung uns nach dem Gebrauch noch nützen? Ganz einfach: Die Verpackung muss sich verändern. Karsten Schröder vergleicht die Verpackung mit einer Materialbank: Die Verpackung/das Material wird dem Konsumenten geliehen und geht nach Gebrauch zum Hersteller zurück. So bleibt der Wert des Materials erhalten, und dabei steigt Wachstum sogar an. Seiner Meinung nach müssen Verpackung und Produkt eine Einheit werden, die sich über die Ökologie, das Produkt und die Marke definiert. Auch er sieht in der Nachhaltigkeit eine neue Pflicht und Chance gleichermaßen: sozial, ökonomisch und ökologisch. Die Idealverpackung muss auch nach dem Gebrauch noch nützlich sein.

    Wissen generieren, Wissen teilen, Märkte verändern. Das ist die Mission der Edeka-Partnerschaft mit dem WWF. Im Rahmen ihrer gemeinsamen Nachhaltigkeitsstrategie arbeiten der WWF und Edeka seit zehn Jahren daran, den ökologischen Fußabdruck von Edeka auch im Verpackungsbereich zu optimieren. Welche Erwartungen der WWF an Unternehmen stellt, und wie eine gelungene Nachhaltigkeitsstrategie mit Eigenmarken gemeinsam umgesetzt werden kann, erläuterte Dr. Marina Beermann, WWF-Leiterin der Edeka-Partnerschaft. So hat der Verzicht von Verpackungen oberste Priorität. Nicht vermeidbare Verpackungen sind auf ein effizientes und effektives Ressourcenmanagement ausgelegt, und keine Verpackung fällt als Abfall an, sondern ihre Materialien werden als Ressource möglichst lange sowohl quantitativ als auch qualitativ in Stoffströmen geführt. Um Einfluss auf vorgelagerte Lieferketten nehmen zu können, müssen Nachhaltigkeitskriterien – z. B. nachwachsende Rohstoffe, die nicht in Konkurrenz zu Lebensmitteln stehen – in Form glaubhafter Zertifizierungssysteme geschaffen werden. Zum Vorantreiben des Recyclings wünscht sich der WWF eine Harmonisierung von Verpackungen und ihren Komponenten und Dialog und Aufklärung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

    Dr. Wolfgang Jeschke, GC Graphic Consult GmbH, berichtete über die Möglichkeiten der Smart Packaging für smarteren Handel. Aufgrund des demographischen Wandels hat sich das Einkaufsverhalten drastisch verändert. Zwar erschweren RFID-Chips die Kreislauffähigkeit, andererseits können aktive Verpackungen mit dem Füllgut in Wechselwirkung treten und der Lebensmittelvernichtung vorbeugen, indem sie z. B. die Kühlkette überwachen und – besonders wichtig bei Pharmaverpackungen – fälschungssicher sind. Auch das verlangt Handeln und Entwicklungskraft.

    Karlheinz Hausmann und Dr. Heiko Schenck, Dow, sehen auch die Rohstoffhersteller in der Pflicht: Dow will erneuerbare und rezyklierte Materialien in die Produktion aufnehmen und hat sich verpflichtet, bis 2025 100.000 t Kunststoffrezyklat in der EU anzubieten. So hat Dow neue Technologien entwickelt, um Polymere aus Recyclingströmen in den Markt zu bringen. Auch werden Materialien und Zusatzstoffe entwickelt, die das Recycling insgesamt begünstigen.

    Birte Surborg, Sealed Air, hob hervor, dass die Art des Handels und die Lieferkette sich verändert haben. Eine verkürzte Prozessdauer und der Zeitpunkt von der Bestellung bis zur Auslieferung bedeuten neue Herausforderungen für Unternehmen: Es müssen effizientere Pick-, Pack- und Versandoptionen geschaffen und zu hohe Verpackungs- und Logistikkosten reduziert werden.

    Sealed Air liefert u. a. Verpackungsmaschinen, die produktgrößenabhängig insbesondere für den Online-Handel in Kartons verpackt. Das bedeutet für den Endkunden ein frustfreies Auspackerlebnis durch weniger Verpackung, eine schnelle Entsorgung sowie ein optimiertes Verhältnis von Volumen und Gewicht.

    „Verpackungshersteller müssen den Rezyklierern das Leben einfacher machen. Nur Mono-Material-Laminate aus PE oder PP sind derzeit die einzige realistische Lösung für unsere Umweltprobleme mit flexiblen (Hochbarriere-)Verpackungen. Prof. Achim Grefenstein, Constantia, berichtete über recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen. Er klärte auf über die Nachteile von Papier-, bioabbaubaren und recyclingfähigen Verpackungen aus PE und PP, die der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Nur Recycling und geringere Materialvielfalt sind die Lösung. Constantia hat die weltweit erste Fabrik zur Herstellung rezyklierbarer Mono-PE-Verpackungen in Indien gebaut. Das neue Material ersetzt nicht rezyklierbare Mischkunststoffe, womit die Wertschöpfung beim Recycling erhöht wird.

    Prof. Markus Schmid, Hochschule Albstadt, stellte aus der anwendungsorientierten Forschung Handlungsansätze für nachhaltigere Lebensmittelverpackungskonzepte vor. Am Beispiel einer Schnittkäseverpackung veranschaulichte er, dass Produktverluste höhere CO2-Emissionen verursachen als durch Vermeidung überflüssiger Verpackungen eingespart werden kann. Die Verpackung muss das Produkt ausreichend schützen, aber nur durch optimierte Materialeigenschaften kann Material reduziert werden, und das Material darf nur ersetzt werden, wenn der Produktschutz gewährleistet ist. Eine Lösung sind auf Molkenprotein basierte Folien. So wird aus einem Abfallprodukt eine nachhaltige Verpackung mit guten Barriereeigenschaften, die zu 100 % recyclebar ist – so zumindest das Entwicklungsziel auf Basis der vielversprechenden Ansätze.

    Mangelndes Kunststoff-Recycling ist ein akutes, globales Problem. Weltweit werden weniger als 10 % der Kunststoff-Verpackungsabfälle recycelt. Der Rest wird verbrannt, endet auf Deponien oder gelangt unkontrolliert in die Umwelt. Somit steigt der politische und gesellschaftliche Druck nach einem nachhaltigeren Umgang mit Verpackungen, mit dem Ziel, eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu erreichen.

    Technologien für gemischte Abfälle müssen noch entwickelt werden, so dass Multi-Layer Verpackungen eine Herausforderung darstellen. Florian Riedl, APK, stellte ein innovatives Verfahren vor, mit dem PE- und PP-Rezyklate für Verpackungsanwendungen nur durch chemisches Recycling hergestellt werden können.

    Durch ein spezielles Löseverfahren können die einzelnen Polymertypen in Kunststoffverbunden (z. B. Mehrschichtfolien) und gemischten Kunststoffabfällen separiert werden. Das Ergebnis sind sortenreine, saubere Kunststoff-Granulate mit Neuwarencharakter, die für Non-Food-Verpackungen eingesetzt werden können.

    Colorcon stellt erstmals für Lebensmittelkontakt geeignete Druckfarben vor, die bei allen Druckverfahren eingesetzt werden können. Steve Walpuski, Colorcon, machte deutlich, dass in einigen Fällen auf mehrschichtige Folienverbunde und kompliziertes Recycling verzichtet werden kann, wenn Lebensmitteldirektkontaktfarben verwendet werden. Durch diese Funktionscoatings kann z. B. auch die Innenseite von Joghurtdeckeln als Werbefläche genutzt und so auf überflüssiges Verpackungsmaterial verzichtet werden.

    Auch die Maschinenbauer sehen sich in der Pflicht, die Kunden fordern Lösungen für neue Maschinen für die Herstellung innovativer Verpackungsmaterialien.  Andrea Glawe, Kroenert, berichtete über neue Systemlösungen, wie z. B. Beschichtungsanlagen im Reinraum oder die Möglichkeit einer doppelseitigen Silikonisierung von Papier in einem Arbeitsgang.

    Erwin Jochim, Morchem, warnte davor, keinen blinden Aktionismus zu starten. Wiederholtes Recyceln birgt auch Gefahren: Vor dem Hintergrund von NIAS (nicht absichtlich zugesetzter Substanzen) können unbekannte Fremdstoffe und Spurenelemente die Rezyklate verunreinigen und damit die Sicherheit gefährden. Er hinterfragte kritisch, ob es nicht besser sei, die Kunststoffe an zentraler Stelle zu sammeln und thermisch zu entsorgen. Warum sollen bewährte Prozesse zu Lasten der Sicherheit über Bord geworfen werden? Der Produktschutz hat immer im Vordergrund zu stehen. Außer beim PET sind bisher genau aus diesen Bedenken heraus Rezyklate für Lebensmittelverpackungen (noch) nicht zugelassen.

    Kurt Stark, Buergofol, betonte, dass das Verpackungsgesetz außer Kosten nichts gebracht hat und die Industrie weiterwächst. Warum werden Plastiktüten aus PE verboten, obwohl sie am besten zu recyceln sind, ideale Eigenschaften haben und nur die Entsorgung noch ungeregelt abläuft? Ob die angestrebten Recycling-Quoten erreicht werden, stellte er in Frage. Solange Abfall noch einen Wert hat, ist es kein Müll.

    Jede Medaille hat zwei Seiten: Trotz des Willens, Verpackungen zu vermeiden, steigt der Verbrauch stetig an. Da scheint ein Konstruktionsfehler im Anreizsystem vorzuliegen.

    Alle Teilnehmer konnten die Tagung mit ihrem Live-Feedback aktiv mitgestalten.

    Die große Bandbreite der Teilnehmer bot fachlich, inhaltlich und persönlich während der Pausen und des gemeinsamen Abends in der Hausbrauerei Rampendahl ideale Austauschmöglichkeiten. Sie lobten das hervorragende und abwechslungsreiche Vortragsprogramm. Auch (selbst-)kritische Ansätze kamen nicht zu kurz. Die Veranstaltung verschaffte einen sehr informativen und guten Überblick zu Trends und Aktivitäten der gesamten Wertschöpfungskette/supply chain hinsichtlich Circular Economy.

    Fazit

    Die Verpackungsbranche muss eine gemeinsame Lobby und Lösungswege entwickeln, und das braucht mehr Kooperation. Der katastrophalen Wahrnehmung von Kunststoffen in der breiten Öffentlichkeit kann nur durch gezielte Weiterentwicklung und sachliche Berichterstattung begegnet werden. Verpackungen müssen auf das Wesentliche reduziert werden. Rohstoffhersteller können nur aktiv werden, wenn sie von der Politik mitgetragen werden.

    Einige Forderungen aus den Vorträgen sind:

    • Dem Raumschiff Erde gehen Ressourcen und vor allem die Luft aus
    • Verpackungen müssen sich verändern und auf das Wesentliche reduziert werden
    • Die Gesamttonnage an Kunststoffen, die in die Umwelt gelangen, muss sinken.
    • Es müssen Nachhaltigkeitskriterien in Form glaubhafter Zertifizierungssysteme geschaffen werden
    • Nachhaltigkeit ist die neue Pflicht und birgt Chancen für neue Geschäftsideen: sozial, ökologisch und ökonomisch
    • Abfallvermeidungsziele müssen von der Politik klar definiert und kontrolliert werden
    • Rohstoffhersteller können aktiv werden, wenn sie von der Politik mitgetragen werden
    • Entwicklung neuer Technologien zur Entwicklung gemischter Abfallströme sind in Arbeit
    • Die Kunststoffbranche sollte wie die Papierindustrie mehr mit einer Stimme sprechen und nach tragfähigen Leitbildern handeln
    • Flexpack kann umweltschädlichere Verpackungslösungen nach wie vor im großen Umfang ersetzen. Wir sollten nun nicht wieder in die 1990er Jahre und einen Papierboom unreflektiert umschwenken
    • Recycling und geringere Materialvielfalt sind ein wesentlicher Teil der Lösung
    • Insgesamt muss es weniger (überflüssige) Verpackungen geben. Die Flexpackindustrie kann helfen, diesen Zielkonflikt zu lösen, da Flexpack oft die Minimalverpackung darstellt

    Save the date

    Mit einem Dank an die Teilnehmer und Referenten warf Karsten Schröder einen letzten Blick nach vorn: Mittwoch/Donnerstag, 3.und 4. Februar 2021, ist als nächster Termin für das 19. Inno-Meeting in Osnabrück fixiert. Für 2022 stimmten die Teilnehmer mit knapper Mehrheit wieder für Donnerstag/Freitag ab. 

  • Prof. Achim Grefenstein über recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen

    Prof. Achim Grefenstein über recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen

    Das Inno-Meeting gilt als deutschsprachiger Branchentreff für Entscheider der Flexpack-Industrie. Was versprechen Sie sich persönlich von Ihrem Beitrag?

    Es ist eine gute Gelegenheit, ein breiteres Fachpublikum darüber zu informieren, dass es mitterweile möglich ist, auch Hochbarriereverpackungen für die Kreislaufwirtschaft herzustellen. Polyethylen ist dafür das optimale Material.

    Der Themenschwerpunkt beim diesjährigen Inno-Meeting liegt auf „Handeln“. Anders ausgedrückt: Zeit zum Umdenken. Was fällt Ihnen spontan zu diesem Thema – bezogen auf Verpackungen und Verbraucheranforderungen – ein?

    Das Thema der Umweltbelastung, z. B. Marine Littering durch Verpackungen, beschäftigt zu Recht eine große Zahl an Konsumenten. Für die Verpackungshersteller ist dies eine große Verantwortung, durch aktives Handeln umweltfreundlichere Verpackungen zu entwickeln und in den Verkehr zu bringen.

    Wie bringt Ihr Unternehmen Handeln nach Ihrer Definition zum Ausdruck?

    Erstens durch unsere öffentlich kommunizierte Absicht, unser gesamtes Produktportfolio bis 2025 durch recyclingfähige Alternativen ersetzen zu können, was umfassende R&D-Aktivitäten in den nächsten Jahren erfordern wird. Zweitens dadurch, dass Constantia Flexibles kürzlich in Indien die weltweit erste Fabrik eröffnet hat, die ganz auf die Herstellung neuer recyclingfähiger Verpackungen ausgelegt ist.

    Ihr Thema lautet „Recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen“. Was wird Ihre Kernaussage sein, und wo sehen Sie für den Zuhörer in erster Linie den Nutzen?

    Es gibt keine Alternative zu einer Kreislaufwirtschaft auch im Bereich Verpackungen. Die anerkannt gute Ressourceneffizienz (Stichwort Klimawandel) von Kunststoffverpackungen steht mittlerweile nicht mehr im Widerspruch zu einem hochwertigen Recycling von mehrlagigen Barriereverpackungen. Kunststoffverpackungen sind damit auch in Zukunft ein wesentlicher Teil der Lösung aktueller Umweltprobleme im Bereich Verpackung.

    Warum hat Constantia Flexibles in Pirk ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum aufgebaut?

    Neben der traditionellen Stärke bei der Entwicklung von aluminiumhaltigen Verpackungen hat Constantia Flexibles durch die Bündelung und Verstärkung unserer R&D-Aktivitäten auch im Bereich Kunststoff eine bei Kunden und Lieferanten geschätzte umfassende Expertise aufgebaut.

    Was entwickeln Sie und Ihre Kollegen in Ihrem Forschungszentrum?

    Wir testen neue Rohstoffe und Verarbeitungskonzepte und entwickeln daraus nachhaltige Laminatstrukturen für unterschiedlichste Anwendungen in den Bereichen Consumer- und Pharma-Packaging in enger Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und sonstigen Technologiepartnern.

    Wie wollen Sie Barrierefolien recycelfähiger machen? Ist das nicht ein Widerspruch in sich, da man immer unterschiedliche Materialien brauchen wird, die schwer zu recyceln sind?

    Bei unserer neuen Produktlinie „EcoLam“ haben wir neben Polyethylen nur die minimal nötigen Barriereschichten eingesetzt, die zudem mit PE kompatibel sind. Die Recyclingfähigkeit unserer Einstoffverbunde wurde u. a. von unabhängigen Instituten im Rahmen der Recyclass-Initiative der europäischen Kunststoffrecycler nachgewiesen.

    Welche Anstrengungen muss die Verpackungsindustrie unternehmen, um dem Plastik-Bashing entgegen zu wirken?

    Wir haben uns im Rahmen von Wertschöpfungsketten übergreifenden Projekten wie CEFLEX (Circular Economy in Flexible Packaging) in Zusammenarbeit mit Herstellern von Verpackungen, Markenartikeln, Rohstoffen und Recyclingunternehmen auf Mindeststandards zur Recyclingfähigkeit geeinigt. Diese sind mittlerweile so oder sehr ähnlich auch in die nationalen Standards übernommen worden. Diesen Weg muss unsere Industrie weitergehen. Nur wenn wir trotz aller Einzelinteressen mit einer Stimme sprechen, welche auch die physikalischen und naturwissenschaftlichen Realitäten berücksichtigt, können wir letztlich auch den Konsumenten sinnvolle Lösungen vermitteln.

    Wie schätzen Sie persönlich die Zukunft von Kunststoffverpackungen ein?

    Entgegen der landläufigen Meinung vieler Konsumenten, sehe ich die Kunststoffverpackung als großen Teil der Lösung an, wenn wir konsequent auf Recycling setzen und uns nicht in Nischenanwendungen wie bioabbaubaren Polymeren verzetteln. Diese bauen nämlich meist nicht in der Umwelt oder gar im Meer ab und emittieren bei dem Abbau die Treibhausgase CO2 oder Methan.

    Papier hat von Hause aus keine guten Barriereeigenschaften, um Lebensmittel vor dem Verderb zu schützen. Zusätzliche Barriereschichten können schnell auch das klassische Papierrecycling stören. Die Papierindustrie hat bei der Definition des richtigen „Design for Recycling“ sicher noch einige Hausaufgaben zu machen. In der näheren Zukunft kann ich mir mit Papier bestenfalls mittlere Barrierewerte vorstellen. Zudem ist bei vielen Anwendungen die Dicke und damit auch der CO2-Ausstoß pro m² Verpackung höher als mit Kunststoff.

    Unsere Teilnehmer möchten die Referenten auch gern persönlich besser kennenlernen. Deshalb noch eine letzte Frage: Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben besonders?

    Ich gehe sehr gern mit meiner Familie in der Natur wandern oder treibe Sport, wie zum Beispiel Tennis.

    Professor Dr.-Ing. Achim Grefenstein, geboren 1965, studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau Fachrichtung Kunststofftechnik. Von 1990 bis 1996 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und später Abteilungsleiter „Extrusion/Weiterverarbeitung“ am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), wo er 1994 promovierte und 1998 im Bereich Kunststoffaufbereitung habilitierte und bis heute die Vorlesung „Kunststoffaufbereitung und Recycling“ unterrichtet.

    Von 1996 bis 2004 war er bei der BASF AG, Ludwigshafen, zunächst in der Anwendungstechnik Thermoplaste, später in der Geschäftseinheit Styrolpolymere als Projekt- und Teamleiter tätig. Gemeinsam mit seinem konzernübergreifenden Team entwickelte er neue Folientechnologien für KFZ-Karosseriebauteile aus Kunststoff und führte diese, gemeinsam mit Partnern aus der Extrusions-, Spritzgieß- und Automobilindustrie, in den Markt ein.

    Von 2004 bis 2013 war er als Director Corporate R&D für die gesamten Entwicklungsaktivitäten, das Patentwesen und die Markteinführung neuer Produkte der RKW SE, Frankenthal verantwortlich. Als europäischer Marktführer im Bereich flexible Folien produziert RKW Folien, Compounds und Vliestoffe für diverse Märkte, wie Hygiene & Medical, Verpackung, Bau und Agrar. Ab Oktober 2011 war er zusätzlich als Produktmanager auch kommerziell für das Etikettenfoliengeschäft der RKW-Gruppe zuständig.

    Seit 2013 ist er als Senior Vice President Group R&D bei Constantia Flexibles GmbH, Wien für die weltweiten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der beiden Geschäftsbereiche Consumer und Pharma-Packaging (bis zum Verkauf in 2017 auch Labels) und das Patentwesen verantwortlich.  

    Für die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) e.V., Bad Homburg leitet er seit 2016 die Experten-Arbeitskreis zum Thema Bioplastics.


  • Verpackungssinn und Unsinn (Quo Vadis Verpackungsindustrie?)

    Verpackungssinn und Unsinn (Quo Vadis Verpackungsindustrie?)

    Dieser Tage las ich einen Artikel von Saskia Gerhard (siehe Link weiter unten). In diesem Artikel war zu lesen, dass Mikroplastik mittlerweile überall zu finden ist. Im Eis der Arktis ebenso wie in der Tiefsee. Der drastisch formulierte Bericht rüttelt auf und erinnert an das, was man darüber schon gelesen und gehört hat. Die Fakten des Reports setzen ein Gedankenkaleidoskop in Bewegung.

    Der Ursprung der Mikroplastikteile weltweit dürfte zum großen Teil viele Jahre und Jahrzehnte zurückliegen. Zu Beginn des Booms der Plastikverpackung haben wohl nur die Wenigsten daran gedacht, dass es einmal so weit kommen könnte.

    Neben den vielen anderen Reizthemen, die uns dieser Tage oder seit langem beschäftigen und beunruhigen, ist das Thema Verpackung gar nicht neu. Sehr lange schon sind sich die Verpackungsmittelhersteller ihrer Verantwortung bewusst. Es gibt zahlreiche Vorschläge und mittlerweile probate Lösungen, mit dem überufernden Plastikmüllproblem fertig zu werden oder das Volumen zu verringern.

    Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass moderne Verpackungen – ich selbst beschäftige mich beruflich seit Jahrzehnten mit dem spannenden Thema der flexiblen Verpackungen (FP) – in unserer Welt unabdingbar geworden sind.

    Die Verteilung und im Besonderen die sichere Haltbarmachung von Lebensmitteln im Großen werden nicht möglich sein, wenn – wie vorgeschlagen wird – jeder Kunde im Supermarkt oder beim Fachhändler mit eigenen Gebinden auftaucht. Diese Art von Vorschlägen ist nicht zielführend, denkt man an das urbane Leben in großen Städten oder den Megacities.

    Die Grafik zeigt die Wachstumsentwicklung der Städte bis 2050. Im kleinsten Umfeld könnten solche Modelle sicherlich angewendet werden und den Zweck erfüllen.

    Anteil der Bevölkerung in Städten weltweit von 1985 bis 2010 und Prognose bis 2050

     

     

     

    In einer idealen Welt würde nur genau so viel Verpackungsmaterial eingesetzt wie nötig. Jeder Haushalt würde das Verpackungsmaterial zur Wiederverwendung sortenrein sammeln und der erneuten Verwendung zuführen. Ein weitestgehend perfektes Kreislaufsystem entstünde und würde mit hoher Effizienz der Ressourcenschonung und dem Umweltschutz dienen.
    Diese Gedanken sind zumeist schon gedacht. Der „Grüne Punkt“ ist ein nicht erfolgreicher Versuch, einen Teil des Haushaltsmülls, nämlich den Plastikanteil, zur Wiederverwendung zu sammeln. Das in den Haushalten Vorsortierte endet zumeist in der „thermischen Verwertung“, die, genauer betrachtet, nicht die schlechteste Lösung darstellt.
    Mit hochkomplexen Sortieranlagen sortenreine Kunststoffe zu erhalten und wiederzuverwenden (Kreislauf) ist ein weiterer lohnenswerter Ansatz, der die Techniker dieser Branche sicherlich noch einige Zeit beschäftigen wird. Die endgültige Lösung des Recycelns von Plastikmüll (Plastikrohstoff) wird diese Technik wahrscheinlich nicht sein können.
    Ideal wäre eine Hochbarriere-Verpackung aus nur einem Kunststoffmaterial, durchaus mehrlagig. Die Sortieranlagen hätten es dann sehr leicht. Neuere Entwicklungen zeigen interessante Ergebnisse.

    Aber denken wir weiter. Benötigt wird ein Verpackungsmaterial, das verhindert, dass das, was „draußen“ ist, nicht eindringt und umgekehrt, was „drinnen“ ist, nicht nach außen dringen kann. Das ist sehr einfach formuliert, stellt jedoch in der Summe ein „High-Tech”-Produkt dar, also die moderne (flexible) Verpackung!

    Gehen wir darauf näher ein: Um die Haltbarkeit verpackter Lebensmittel zu gewährleisten, benötigten wir ein Verpackungsmaterial, welches zunächst in die drei Hauptgruppen einzuordnen wäre:

    – Trockene Füllgüter, General Purpose (GP)
    – Flüssige Füllgüter, auch pasteurisiert, Medium Performance (MP)
    – Füllgüter, die pasteurisiert oder sterilisiert werden müssen, High Performance (HP)

    Das Verpackungsmaterial muss selbstverständlich dem jeweiligen Füllgut widerstehen (aggressive Füllgüter).

     

     

     

     

    Wir benötigen für die Form- und Füllprozesse auf schnell laufenden Maschinen Verpackungsmaterialien mit hohen mechanischen Festigkeiten. Ebenfalls ist bei vielen Lebensmitteln der Lichtschutz von großer Bedeutung. Diese technischen Anforderungen sind nur einige der vielen, mit denen sich die Verpackungsindustrie erfolgreich beschäftigt. Die oben genannten Leistungen werden heute von Mehrlagenverbunden perfekt angeboten.
    Die Differenzierungen erlauben selbstverständlich Einzellösungen, z. B. Zweilagenverbunde aus nur einem Kunststoff, mit eingebauter Barriere für die verschiedensten Füllgüter, z. B. flüssige und pastöse Füllgüter.

    Hochbarriere ist ebenfalls zu erreichen, durch SiOx- oder AlOx-beschichtete Materialien. Ein weiterer Schritt zum angestrebten Ziel, aber nicht die „Ultima Ratio“. Dem Leser dieser Zeilen dürfte klar werden, dass moderne Verpackung notwendig ist. Hinterfragen muss man jedoch die „Überverpackung“ von Lebensmitteln oder anderen Gebrauchsgütern. Die Biokunststoffe sind ein Weg, die klassischen Kunststoffe teilweise zu ersetzen; ein weiterer interessanter Baustein. Die „Ultima Ratio“ werden diese Verpackungsmaterialien jedoch auch nicht sein.
    Es besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit, dass die verpackende Industrie, Food or non-Food, umdenken muss. Der Gesetzgeber hat bereits deutliche Signale gesendet.
    Vor allem sehe ich die Marketing- und Vertriebsverantwortlichen in der Pflicht. Das Verpackungsdesign der Zukunft wird sich nur noch an praktischen Parametern messen lassen müssen und nicht an Verpackungs-Gimmicks.

    Dipl.Ing. Manfred-Werner Römer

    Saskia Gerhard
    https://www.watson.de/Wissen/Analyse/281486640-Mikroplastik-ist-ueberall–sogar-im-Arktis-Eis–Was-wir-jetzt-noch-tun-koennen
    https://www.watson.de/Leben/Umwelt/338272615-Warum-ist-jedes-Schokobon-einzeln-verpackt—Wir-zeigen-den-Muell-eines-einzigen-Einkaufs

  • Trends und Nutzen von Entwicklungen bei Barriereverpackungen – Teil 4

    Trends und Nutzen von Entwicklungen bei Barriereverpackungen – Teil 4

    Bereits das zweite Mal wird Frau Dr. Amberg Schwab auf der Barriereverbundfolien-Tagung in Würzburg referieren. Sie ist als Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg tätig. Das Fraunhofer Institut für Silicatforschung entwickelt als Materialforschungsinstitut innovative nichtmetallische Werkstoffe. Frau Dr. Amberg-Schwab widmet sich besonders der Entwicklung neuer Beschichtungsmaterialien, vor allem im Bereich der Funktionsbeschichtungen auf der Basis anorganisch-organischer Hybridpolymere (ORMOCER®e).

    1. Welchen Nutzen stiften Sie mit Ihren Entwicklungen und Produkten im Hinblick auf Barriereverpackungen und Ihren Vortrag?

    Frau Amberg-Schwab betont den Nutzen der ISC eigenen Entwicklungen und Produkte in Hinblick auf Barriereverpackungen vor allem in individuell konzipierten Barrieresystemen, die zusätzlich mit weiteren Funktionen, wie z.B. antimikrobieller Ausrüstung versehen werden können. So bietet das Fraunhofer ISC Barrierematerialien für Lebensmittel, Pharma, Kosmet als auch Hoch- und Ultrabarrierematerialien. Die neueste Entwicklung sind sogenannte bioORMOCER®e, die sowohl biobasiert als auch bioabbaubar sind.

    Zwei Trends sieht das Fraunofer ISC zur Zeit als besonders vielversprechend und zukunftsweisend an:

    Erstens sind es die bioabbaubaren Kunststoffe. So kann mit dem neuartigen bioORMOCER®en der steigenden Nachfrage nach bioabbaubaren Kunststoffen entgegen gekommen und der Industrie bioabbaubares Beschichtungsmaterial zur Verfügung gestellt werden, das vilefältige Chancen für neue innovative Verpackungslösungen bietet.

    Zweitens treibt das ISC mit seinen Hoch- und Ultrabarrierekonzepten Innovationen im Bereich oLED und oPV voran.

    Freuen Sie sich auf den spannenden Vortrag von Frau Dr. Amberg-Schwab am 1. Tag der Barriere-Verbundfolien – Verbesserte Haltbarkeit von Lebensmitteln