Schlagwort: LE-06-17

  • Im Interview: Matthias Henker, Flint Group

    Im Interview: Matthias Henker, Flint Group

    Dr. Matthias Henker, geb. in Sohland/Spree ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Chemie an der TH Leuna-Merseburg und arbeitet seit fast 20 Jahren in verschiedenen Positionen im Bereich Entwicklung und Anwendung  von Druckfarben.
    Seit 2006 ist er bei der Flint Group als Product Director Packaging & Narrow Web tätig.

    Sein Arbeitsschwerpunkt sind flüssige Farben für den Verpackungsdruck. Seit einem Jahr beinhaltet das Arbeitsgebiet auch UV-härtende (speziell low migration) Druckfarben.

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?
    Ich habe mich schon in meiner ganzen beruflichen Laufbahn mit der Formulierung von Druckfarben für Lebensmittelverpackungen beschäftigt. Seit einigen Jahren bin ich Mitglied in der technischen Kommision Druckfarbe beim VdL und seit zwei Jahren auch in verschiedenen Gremien der EuPIA aktiv. Hier geht es u. a. darum, die nötigen Informationen in der Suppyl Chain zu organisieren, um die gesetzlichen Regelungen für Verpackungsmaterialien einzuhalten und diese auch aktiv mitzugestalten.

    Welche Vorgaben halten Sie für besonders wertvoll und warum?
    Art. 3 der Rahmenrichtlinie 1935/2004  halte ich für sehr wichtig – schließlich sind wir auch alle Verbraucher.

    Welcher Bereich sollte dringend vom Gesetzgeber aus Ihrer Sicht geregelt werden?
    Es sollte dringend geklärt werden, wie die lange Liste der in Lebensmittelverpackungen zwar verwendeten, aber toxikologisch nicht oder unzureichend bewerteten Stoffe rascher abgearbeitet werden kann. Dazu sollten  z. B. Methoden “with TTC” verstärkt eingesetzt werden. Die Gesetzgeber und EFSA sollten hier klare (und einfache) Richtlinien erstellen, die auch in der Praxis umsetzbar sind.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?
    Bei allen Anwendungen mit strahlengehärteten  Systemen (Klebstoffe, Druckfarben usw.) sowie allen exotischen Anwendungen, wie z. B. Garung des Lebensmittels in der Verpackung im Ofen. Packmittelhersteller und  Brandowner sollten sich fragen, ob wirklich alle denkbaren Anwendungen umgesetzt werden müssen und dann vor allem sicher sind.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?
    Eine gute Sache, da sie Sicherheit und Klarheit geben und einfach zu verstehen sind. Allerdings ist der Prozess, weitere Stoffe zu evaluieren, zu aufwendig und dauert zu lange. Moderne Q-SAR Methoden könnten hier evtl. helfen.

    Sie referieren über „’Non-intentionally added substances’ in Druckfarben – die EuPIA NIAS und NLS Guideline”. Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?
    NIAS und NLS sind in der letzten Zeit ins öffentliche Interesse gerückt. Moderne Analyseverfahren erlauben immer detailliertere Aussagen über Stoffe, die – oft überraschend – gefunden werden. Wie mit diesen Stoffen umgehen und sie bewerten, ist ein spannender, aber oftmals auch komplizierter Prozess. Das geht nur gemeinsam in der Lieferkette, angefangen vom Hersteller der Rohstoffe über den Weiterverarbeiter bis zu demjenigen,  der das fertige Verpackungsmaterial letztlich nutzt. Da gibt es noch viel Lernbedarf.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?
    Ich bin seit meiner Jugend Freizeitentomologe und befasse mich da mit der Erforschung und dem Monitoring der Tag- und vor allem Nachtfalterfauna in Hessen, speziell im Taunus. Digitale Makrofotografie nutze ich dabei zur Dokumentation.  Außerdem bin ich mit meiner Ehefrau seit vielen Jahren in einem Tanzsportverein aktiv (Breitensport).

  • Referenteninterview mit Herrn Dr. Martin Wesch zum Lebensmittelgesetz

    Referenteninterview mit Herrn Dr. Martin Wesch zum Lebensmittelgesetz

    Rechtsanwalt Dr. Martin Wesch hat in Tübingen Rechtswissenschaften, Philosophie, Neuere Geschichte, Volks- und Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach seiner Promotion (»Neue Arbeitskampfmittel«) und Auslandstätigkeiten bei Kanzleien in den USA (Rochester/New York) und in Australien (Sydney) wurde er 1993 als Rechtsanwalt beim Landgericht und 1998 beim Oberlandesgericht in Stuttgart zugelassen. Er war dort in zwei größeren überörtlichen Sozietäten tätig. 1997 spezialisierte er sich zum Fachanwalt für Arbeitsrecht. Im Jahr 2001 gründete er in Stuttgart die Kanzlei Wesch & Buchenroth. Seit 2002 ist er Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht an der Universität Stuttgart. Im Jahr 2005 wurde er Fachanwalt für Medizinrecht. Von 1994 bis 2011 war er Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Pharma-Verpackung e.V.

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Als Rechtsanwalt vertrete ich auch Packmittelhersteller, vorwiegend Zulieferer zur pharmazeutischen Industrie. Außerdem war ich 17 Jahre lang Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Pharma-Verpackung e.V. Dadurch wurde und werde ich immer wieder mit gesetzlichen Forderungen befasst, welche Packmittelhersteller zu erfüllen haben.

    Welche Vorgaben halten Sie für besonders wertvoll und warum?

    Vorgaben, gleich ob vom Gesetzgeber, von Kunden oder vom Packmittelhersteller selbst, welche die Prozesse der Herstellung, Prüfung, Lagerung, Abgabe und Entsorgung der Packmittel sicherer gestalten. Dadurch erhöht sich die Qualitätsfähigkeit der Packmittelhersteller. Auch wenn das Anstrengungen erfordert, verbessert sich dadurch deren Wettbewerbsfähigkeit, national und international.

    Welcher Bereich sollte dringend vom Gesetzgeber aus Ihrer Sicht geregelt werden?

    Es gibt hierzulande und europaweit genügend Regelungen des Gesetzgebers. Die Frage würde ich eher umgekehrt stellen wollen, welcher Bereich dereguliert werden sollte.

    Und welcher Bereich ist das? Können Sie mir darauf vielleicht eine kurze Antwort geben?

    Nein, eine kurze Antwort kann ich darauf eigentlich nicht geben. Im unternehmensrechtlichen Bereich ist vieles überreguliert, das bürokratischen Aufwand erfordert. Denken Sie nur an das Mindestlohngesetz, die Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung, die ab dem 01.04.2017 in Kraft tritt, oder etwa die REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, die Packmittelhersteller, die chemische Stoffe einsetzen, vor hohe Hürden stellt. Die Politik wird im Wahljahr – wie alle (vier) Jahre wieder – den Unternehmen den Abbau der Bürokratie versprechen. Dazwischen erfahren die Unternehmen Jahr für Jahr das Gegenteil, nämlich den weiteren Aufbau der Bürokratie.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    In der Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie den Abschluss von so genannten Technischen Vereinbarungen (Verantwortungsabgrenzungsverträge), welche die Pflichten des Arzneimittelherstellers hinsichtlich der Guten Herstellungspraxis auf den Packmittelhersteller übertragen. Weiter sollte die Entsorgung von Ausschuss, soweit dieser durch Dritte erfolgt, vertraglich abgesichert sein.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Das ist eine technische Frage, die ich nur allgemein beantworten kann: Packmittel sollen den Inhalt schützen und diesen nicht durch Migrationen beeinträchtigen. Soweit Migrationen unvermeidlich sind, dienen Migrationslimits dem Rechtsfrieden: Deren Vereinbarung und Einhaltung stellen eine nicht mangelhafte Verpackung außer Streit.

    Sie referieren über “Welches Haftungsrisiko tragen Mitarbeiter, Führungspersonal und Geschäftsführung selbst?” Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Die Absicherung der Personen, soweit dies möglich ist. Kurioserweise sind Angestellte im Unternehmen zwar versichert, haben aber keine Ansprüche gegen die (Betriebshaftpflicht-) Versicherung. Dagegen kann man etwas tun und sollte das auch, soweit mit der Tätigkeit der Personen größere Risiken verbunden sind.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Für alle kulturellen Leistungen, die mit Begeisterung ausgeführt werden.

  • Wer haftet eigentlich bei Fehlern in der Konformitätsarbeit?

    Wer haftet eigentlich bei Fehlern in der Konformitätsarbeit?

    Herr Dr. Martin W. Wesch hat sich als Fachanwelt für Medizinrecht spezialisiert. Er ist speziell im Produkthaftungsrecht und aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer eines Pharmaverbandes im Bereich des Pharmarechts tätig.

    Auf der Innoform-Sommertagung referiert er über das Haftungsrisiko von Mitarbeitern, Führungspersonal und Geschäftsführung.

    Hier bekommen Sie schon einmal einen Vorgeschmack auf seinen spannenden Vortrag zu diesem trockenen, aber wichtigen Thema:

    Eine sachkundige Person nach § 14 AMG (sachkundige Person, qualified person, QP) hat im Pharmabetrieb eine exponierte Stellung, da sie für die Herstellung und Prüfung der Arzneimittel verantwortlich (vgl. § AMG 19) ist.

    Bei diesen komplexen Vorgängen  können Fehler und Abweichungen auftreten, insbesondere sogenannte OOS-Ergebnisse. Werden diese nicht beachtet, widerspricht das der Guten Herstellungspraxis (GMP). Die Arzneimittel könnten nicht unerheblich in ihrer Qualität gemindert sein. Kommt jemand deswegen zu Schaden, könnte die sachkundige Person selbst zivil- und strafrechtlich haftbar sein. Ob und inwieweit dergleichen Haftungsrisiken im Rahmen der Betriebshaftpflicht versichert sind, wird im nachfolgenden Beitrag untersucht.

  • Wie werden EU-Vorgaben – auch für Verpackungen – international umgesetzt

    Wie werden EU-Vorgaben – auch für Verpackungen – international umgesetzt

    Auf der Website EU SCIENCE HUB wurde ein Bericht über nicht-harmonisierte Lebensmittelkontaktmaterialien (FCM = Food Contact Material)  in der EU veröffentlicht. Darin geht es um gesetzliche Vorgaben und die Marktsituation für nicht-harmonisierte Lebensmittelkontaktmaterialien.

    Der Bericht beschreibt vier wesentliche Probleme bei der Realisierung der EU-Vorgaben zu den FMCs.

    …”Es mangelt an gemeinsamen Leitlinien und Transparenz bei der Durchführung von Risikobewertungen in den Mitgliedstaaten (MS). Die Protokolle für die Zulassung von Stoffen können sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unterscheiden. Das Potenzial von in der EU entwickelten Tools für Risikobewertungen wird nicht ausgeschöpft. Nationale Maßnahmen sind schwer zugänglich und nicht immer durchgängig oder hinreichend detailliert. Für alle FCMs und für die „Good Manufacturing Practice“ (GMP) sind spezifische Standards für die Lebensmittelsicherheit erforderlich. Insbesondere die Konformitätserklärung (DoC) und die “supporting documents” (Belegdokumente wie Prüfberichte, Gutachten etc.) verlangen spezifische Qualitätskriterien, die möglicherweise mit Sanktionen für eine angemessene Qualität und Rückverfolgbarkeit des Informationstransfers entlang der Kette verbunden sein sollten. Die Maßnahmen basieren auf Listen zugelassener Stoffe (insgesamt knapp 8.000), zeigen jedoch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in der Art der betrachteten Stoffe, der Art der Einschränkungen und deren Zahlenwerte. Dies führt zu mehrfachen Prüfanforderungen und kompliziert die gegenseitige Anerkennung. Testmethoden fehlen für die Durchsetzung und Einhaltung, so dass es schwierig nachzuweisen ist, dass die Lebensmittelsicherheit konsequent gewährleistet ist”…

    The European Commission’

    Der vollständige Report kann hier kostenlos geladen werden.

  • Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche in Deutschland 2015

    Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche in Deutschland 2015

    Erstmalig haben das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für das Jahr 2015 einen gemeinsamen Jahresbericht zu lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen in Deutschland erarbeitet.

    Von einem lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch spricht man, wenn mehrere Verbraucher auf Grund eines kontaminierten oder verdorbenen Lebensmittels erkranken. Die zuständigen Gesundheits- und Lebensmittelüberwachungsbehörden vor Ort arbeiten zusammen, um die Ursachen eines solchen Ausbruchs aufzuklären. Im Anschluss an die Untersuchung übermitteln die Lebensmittelüberwachungsbehörden Informationen zum Ausbruch an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
    Im BVL wird hierfür das bundesweite Erfassungssystem für Lebensmittel, die an Krankheitsausbrüchen beteiligt sind (BELA), betrieben. Die Gesundheitsbehörden übermitteln ihre Daten und Informationen an das Robert-Koch-Institut (RKI). Alle übermittelten Daten werden auf Bundesebene zusammengeführt, gemeinsam durch das RKI und das BVL bewertet und an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weitergeleitet. Auf Basis der Meldedaten erstellt die EFSA jährlich einen Bericht zu lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen in Europa.
    Der Bericht wurde im Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht und ist über die Internetauftritte von BVL und RKI kostenfrei abrufbar.

     

  • Verpackung ist böse – warum eigentlich?

    Verpackung ist böse – warum eigentlich?

    Verpackung ist böse – warum eigentlich?

    Diese Botschaft senden Medien immer häufiger, z. B. in diesem Video oder diesem Artikel. Oft wird da unterschwellig kommuniziert, oft auch ganz offen angeklagt. Warum ist das so?

     

    Bei uns Konsumenten besteht durch diese Berichterstattung die Gefahr, dass sich solche Parolen festsetzen und zu ungünstigen oder wenig nachhaltigen Gegenbewegungen führen. Sei es, dass wohlhabendere Menschen versuchen, frische Waren und Bio-Lebensmittel zu bevorzugen; sei es, dass Plastik insgesamt verteufelt und dadurch Wohlstand reduziert wird. Auch drastische Geschäftsmodelle, die noch vor wenigen Jahren undenkbar schienen, flackern neu auf – der modernisierte Tante-Emma-Laden ganz ohne (Einweg-) Verpackung. Aber geht das wirklich und ist das nachhaltig?

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    In unseren Tagungen und Seminaren für Lebensmittelhersteller und Packmittellieferanten diskutieren wir diese Fragen differenziert und möglichst objektiv seit 2001.

    Hier einmal ein Beispiel für solch eine Betrachtung aus mehreren Vorträgen, z. B. von Herrn Dr. Onusseit, Prof. Paech oder auch dem Autor dieses Beitrages und einigen anderen Referenten und Querdenkern.

    recycling-254312_1280Betrachtet man die Definition der Nachhaltigkeit, so setzt sich diese aus drei Säulen zusammen: sozial, ökonomisch und ökologisch. Will man also ein System – z. B. eine Verpackungslösung – auf seine Nachhaltigkeit hin bewerten, müssen wir diese drei Säulen betrachten. Wir wollen das hier einmal sehr vereinfacht tun.

    boxes-1834416_1280_Obst_Gemüse_kleinWerden Lebensmittel beispielsweise nur noch frisch, z. B. auf Märkten, angeboten, so hätte das einige positive Effekte. Wir bräuchten weniger, bedruckte Konsumverpackungen, wir kämen häufiger mit Marktverkäufern und Kunden ins Gespräch, müssten aber etwas mehr Geld bezahlen, mehr Zeit investieren, da diese Art des Vertriebs weniger effizient ist als das zentrale Verpacken und Distribuieren via Einzelhandel. Das will sich vielleicht nicht jeder leisten oder kann es auch gar nicht, weil vielleicht das nötige Kleingeld fehlt, diesen “Frischeaufschlag” zu bezahlen? Zudem werden mehr Produkte auf dem Weg vom Acker zum Konsumenten verderben, da das Verarbeiten und Haltbarmachen entfällt bzw. die Zubereitung zum Verbraucher selbst verlagert wird. Dadurch verkürzt sich die Lagerdauer und der Lebensmittelverlust erhöht sich. Denken wir nur einmal an die Studie des WWF zur Lebensmittelverschwendung.

    Durch das weniger wirtschaftliche System stehen gewissen Bevölkerungsschichten diese Lebensmittel nicht zur Verfügung und somit ist das nicht besonders sozial. Ökonomisch ist es ebenfalls nicht die Optimallösung, da sich die Lebensmittel nur teurer vertreiben lassen und der Verderb höher ist. Dennoch raten Medienvertreter zu diesem Konsumverhalten – warum? Ist uns und den Medienvertretern das jetzige System nicht gut genug?

    Oder ist die heute verbreitete Lieferkette doch perfekt – industriell erzeugte Lebensmittel zu günstigen Preisen, gut verpackt im Einzelhandel und demnächst via Internet zu vertreiben? Vielleicht müssen wir noch mehr in Aufklärung stecken und dafür sorgen, dass wir Konsumenten das endlich verstehen?

    Ich glaube das nicht. Mein Zukunftsbild ist eine Schar von Optimalverpackungn in allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit. Und das wird vermutlich nicht mit einem einzigen Vertriebsweg und einer einzigen Verpackung funktionieren. Je nach Einkommens-, Lebens- und Bildungssituation ergeben sich andere Anforderungen und somit Lösungen. Aber im Moment produzieren wir viel zu viele, viel zu schlechte Verpackungen, die nicht das erfüllen, was Konsumenten, Politiker, Forscher, Abpacker und Händler sich idealerweise wünschen. Oder anders ausgedrückt: Keine beteiligte Interessengruppe ist so richtig glücklich mit dem jetzigen System der Verteilung und Haltbarmachung von Lebensmitteln. Ebenso bewerten die Entsorger, die ja oft als Gewinner des Dualen Systems benannt werden, das jetzige, unvollkommene Rücknahmesystem als dringend verbesserungswürdig.

    Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird, sagt der Volksmund. Aber wer bezahlt die Verpackung eigentlich? Letztlich zwar der Konsument, aber der sagt eigentlich gar nicht, was er will, sondern stimmt mit den Füßen – dem Einkaufswagen – ab und wählt das Produkt, das er als das für ihn am besten wahrnimmt. Aber nicht das, wie es sein könnte. Denn wenn ihm keine optimale Lösung angeboten wird, kann er nur das geringste Übel wählen. Also ideal für ihn, seine Lebenssituation, die Lieferkette und die Volkswirtschaft ist das sicher nicht.

    Bisher ist es die Aufgabe der Packmittelindustrie und Packmitteldesigner, Innovationen zu fördern. Fordern tun diese vor allem die Markeninhaber und der Handel. Doch diese beiden wollen zuerst den Absatz steigern und dafür auch noch den Kunden einigermaßen zufriedenstellen. Markeninhaber und Handel delegieren die Aufgabe an Marketingabteilungen und Werbeagenturen. Und so sehen sie dann auch aus, die schreienden, grellen Verpackungen – emotionsgeladener Plastikmüll für austauschbare Produkte mit nachträglich angebauten Conveniencefunktionen wie mangelhafter Wiederverschluss oder Entnahmehilfe. Doch stellen Sie Ihre Wurst-Tray-Verpackungen, trüben Cerealienbeutel oder eingeschlagene, deformierte Butter so direkt auf den Esstisch? Ich tue das nicht, da es fürchterlich unpraktisch ist und wahnsinnig unschön aussieht. Aber wen stört es, solange es nichts Besseres gibt? Und genau das ist der Punkt: Wo bleibt die lang ersehnte Innovation im Verpackungsbereich? Kreislaufdenken geht anders.

    Das Problem: Niemand weiß scheinbar so richtig, wie es besser geht. Dazu ein Exkurs:

    Keine Marktforschung, keine Werbeagentur, kein Handel und kein Designer haben geschrieen, dass wir ein Smartphone haben wollen. Aber heute ist es das am meisten verkaufte Mobilgerät aller Zeiten! Das hat nicht nur Nokia das Genick gebrochen. Wie kann so etwas Eruptives für Verpackungen denn aussehen? Wer kann so etwas erdenken und entwickeln? Schaffen wir Etablierten das überhaupt? Welche Möglichkeiten bieten uns neue Kommunikations- und Arbeitsweisen für echten Verpackungsfortschritt? Welche Rolle fällt der Industrie, welche der Politik und welche den Universitäten zu? Wer nimmt das Heft in die Hand? Die bewahrenden Verbände, die Großkonzerne oder der Handel? Ich sehe da im Moment niemanden wie Steve Jobs (Apple) oder Elon Musk (Tesla) im Verpackungsbereich.

    Kann uns da eventuell die Kreislaufwirtschaft helfen? Befreit das Kreislaufdenken uns endlich vom Material-Sparwahn? Folien, die nur noch ein Zehntel eines menschlichen Haares dünn sind, können doch gar nicht mehr wertvoll erscheinen, ein wertiges Produkt repräsentieren oder geschweige denn optimal geeignet sein. Fällt uns da denn nichts Besseres ein, als immer alles leichter, dünner und noch kunststoffiger zu machen? Wenn wir in Kreisläufen denken, ist es nicht mehr so wichtig, dass eine Folie oder ein Karton besonders dünn und leicht ist, da der Rohstoff ja nicht mehr verloren geht. Wie schön wäre es, wenn man auch Folienverpackungen mehrfach nutzen könnte und dann sogar noch Pfand dafür bekäme? Dann fühlte man sich belohnt für’s „Müll trennen“ und nicht mehr betrogen um seinen Wertstoff. Wie dünn können PET-Flaschen noch werden, bis wir sie zu den flexiblen Verpackungen zählen?

    Karsten 2016
    live beim Inno-Meeting

    Wie solche Kreislaufprozesse aussehen könnten, stellen Fachleute aus Packmittel- und Kreislaufwirtschaft – ja die gibt es wirklich – beim 15. Inno-Meeting http://im.innoform.de und der ersten Tagung mit dem Titel Umwelt- und Umfeld-gerechte Kunststoffverpackungen http://um.innoform.de  vor. Einen ersten Eindruck über die Inhalte der Tagung erhalten Sie mit dem Interview von Albin Kälin, der auf der Tagung über Cradle to Cradle Design – Kunststoffverpackungen für den Kreislauf  referiert. Wir möchten zum Neudenken, Querdenken, Weiterdenken animieren und bieten dafür kompetente Plattformen und Beiträge für die o. g. Industrien an. Helfen Sie mit, Kreisläufe zu durchdenken und dann auch zu schaffen, um unsere Zukunftsprobleme wie Ressourcenknappheit und schleichende Umweltvernichtung zu lösen. Ich glaube, es lohnt sich, denn Verpackung sichert Wohlstand und Gesundheit – wenn es die richtige ist.

    Karsten Schröder im Januar 2017

  • Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011 (Teil 4)

    Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011 (Teil 4)

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    Teil 4: „10ppb-Screenings“

     

    ⋅ Kurzzusammenfassung ⋅

    In den ersten drei Teilen dieser Reihe von INNO-Lettern haben wir aufgeführt, welche Belege erforderlich sind um eine Konformitätserklärung gemäß Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 zu erstellen, wie die gesammelten Daten auszuwerten sind und wie die Einhaltung von spezifischen Grenzwerten überprüft werden kann. In diesem Teil werden wir uns mit dem 10ppb-Screening beschäftigen, das immer mehr an Bedeutung gewinnt.

    1         Wofür kann das „10 ppb Screening“ eingesetzt werden

    1.1     Risikobewertung von nicht absichtlich zugesetzten Stoffen (NIAS)

    Materialien und Gegenstände aus Kunststoff können Verunreinigungen enthalten. Derartige Verunreinigungen werden z.B. bei der Herstellung des Kunststoffmaterials unbeabsichtigt eingebracht (unbeabsichtigt eingebrachter Stoff — non-intentionally added substance, NIAS). Alle eingesetzten Stoffe müssen über eine technische Qualität und Reinheit verfügen, die für die vorhersehbare Verwendung der Materialien geeignet ist. Daher sollten Verunreinigungen, die relevant für die Konformitätsbeurteilung sind, in den Konformitätserklärungen angegeben werden.

    Typische Verunreinigungen können im Beurteilungsrahmen von Stoffen durch die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bereits enthalten sein. Es sind jedoch üblicherweise nicht alle Reaktions- und Abbauprodukte in der Zulassung eines Stoffes aufgeführt und berücksichtigt. Leider gibt es derzeit unserer Kenntnis nach keine Veröffentlichung, aus der eindeutig zu entnehmen ist, ob die EFSA diese Stoffe regelmäßig mit bewertet. Da der Hersteller von Bedarfsgegenständen aus Kunststoff von Reaktions- und Abbauprodukten ausgehende mögliche Gesundheitsrisiken im fertigen Material oder Gegenstand gemäß international anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen der Risikobewertung beurteilen soll, muss er diese Stoffe kennen.

    Die Prozesskette zur Fertigung von Verpackungsmaterialien oder Bedarfsgegenständen kann mitunter sehr lang sein. Daher sollten die Informationen zu diesen Stoffen auch innerhalb der Kette weitergegeben werden. Leider funktioniert das oft noch nicht in hinreichender Form. Eine Möglichkeit der Einschätzung möglicher Gefahren durch unbeabsichtigt eingebrachte Stoffe oder Abbauprodukte, sind Migrationsscreenings. Die Methode Gaschromatographie-Massenspektrometerkopplung (GC-MS) stellt eine ausgezeichnete Methode zur Risikominimierung hinsichtlich möglicher Migrationen durch NIAS dar, wohlwissend, dass eine Methode, die umfassend die Ab- bzw. Anwesenheit aller möglichen Stoffe detektiert, in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.

    1.2         Plausibiliätsprüfungen

    Die Verpackungen, die von Lebensmittelherstellern verwendet werden, setzen sich oftmals aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten zusammen. Bei der Konformitätsarbeit ist jeder Bestandteil der fertigen Verpackung, bzw. des Bedarfsgegenstandes, zu berücksichtigen, wie z.B. auch Etiketten, Kennzeichnungsdruck, etc. Die Herstellung erfolgt dabei regelmäßig in unterschiedlichen Unternehmen,  die jeweils nur einen Teil der Herstellkette abdecken.

     

    Zwischenprodukte_Kunststoff

    Jedes Unternehmen der Fertigungskette erstellt für das von ihm vertriebene Produkt eine Konformitätserklärung, bzw. stellt hinreichende Informationen zur Beurteilung der lebensmittelrechtlichen Konformität durch die nachfolgenden Unternehmen zur Verfügung. Bei der Konformitätserklärung für die fertige Verpackung handelt es sich um eine Zusammenfassung aller Informationen, die innerhalb der Lieferkette zusammengetragen werden. Zur Kontrolle der Angaben aus den Konformitätserklärungen sind GC-MS- Screenings eine kostengünstige und geeignete Möglichkeit, um zu prüfen, ob die Angaben hinsichtlich einzuhaltender Grenzwerte vollständig sind.

    1.3         Orientierungsprüfungen zur Einhaltung von Begrenzungen von
    Stoffen

    In der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 ist eine Vielzahl an Monomeren, Hilfsstoffen und Additiven aufgeführt, die zur Herstellung von Kunststoffverpackungen eingesetzt werden können. Einige dieser Stoffe können über Screeningmethoden halbquantitativ in einer einzigen Analyse bestimmt werden. Ist sichergestellt, dass die vorgefundenen Stoffe in der verwendeten Simulanz besser löslich sind als im bestimmungsgemäß vorgesehenen Lebensmittel oder der geregelten Simulanz, so kann bei deutlicher Unterschreitung des Grenzwertes (z.B. bis max 20 % des Grenzwertes) auf sehr wirtschaftliche Weise eine Konformität abgeleitet werden. Dieses trifft in vielen Fällen zu.

    2          Welche Arten von Screenings gibt es?

    Wie im dritten Teil dieser Inno-Letter Serie erläutert, gibt es eine Vielzahl an Stoffen mit unterschiedlichen Eigenschaften, die mit unterschiedlichen Methoden analysiert werden können. Für die Bewertung sind Stoffe mit einer Molekülgröße bis 1000 Dalton entscheidend. Um möglichst viele NIAS nachweisen zu können, ist eine Kombination aus unterschiedlichen Methoden wie GC/MS, Headspace-GC/MS, LC-TOF, LC-UV, LC-MS, ICP notwendig. Hierbei ist die Identifizierung besonders schwierig. Bisher gibt es noch keine einheitliche Methode.

    Sehr häufig wird die GC/MS angewendet. Hier wird ein Migratansatz mit Ethanol 95%, Isooctan oder Poly(2,6-diphenyl-p-phenylenoxid) (Tenax ®) durchgeführt. Dem Migrat wird ein interner Standard zugesetzt,  was eine halbquantitative Mengenbestimmung aller nachgewiesenen Stoffe ermöglicht, ohne eine aufwändige Einzelkalibrierung für jede einzelne Substanz durchführen zu müssen.

    Die Messung auf Anwesenheit flüchtiger Stoffe kann bekanntlich nicht über einen Migrationsansatz mit einer flüssigen Simulanz erfolgen; dafür wird die Einfachgasextraktion nach der Headspace- Methode mit nachgeschalteter GC/MS- Detektion verwendet.

    3            Wie sieht das Ergebnis aus?

    GC_FID-Chromatogramm
    Abbildung 1: GC/FID-Chromatogramm eines Screenings

     

     

     

     

     

     

     

     

    4            Welche Mengen sind relevant?

    Leider gibt es dazu seitens der EFSA, BgVV oder anderer Behörden noch keine klaren Vorgaben. Im “The Exposure Matrix Project” der Plastics Europe, EuPC, FPE und CeficFCA wurde ein “level of interest” (LOI) vorgestellt, ein berechneter Wert basierend auf Expositionsdaten (Studien zur tägliche Nahrungsaufnahme, unterteilt nach Lebensmittelgruppen und Verpackungsarten) für unterschiedliche Verpackungsmaterialien, oberhalb dessen eine Bewertung erforderlich ist. Alternativ könne eine Orientierung am Grenzwert für nicht beurteilte Stoffe hinter einer funktionellen Barriere von 10 µg/kg Lebensmittel (10 ppb) erfolgen. Bei Anwendung eines Oberflächen/Volumen-Verhältnisses von 6 dm²/kg Lebensmittel wären das etwa 1,3 µg/dm² Verpackungsmaterial.

    Zur Ableitung toxikologischer Schwellenwerte kann der „Treshhold of Toxicological Concern“ (TTC) ebenfalls verwendet werden. Hierbei handelt es sich um die mittlere tägliche Dosis, unter der eine nicht evaluierte Substanz mit 95%iger Wahrscheinlichkeit harmlos ist, selbst wenn diese im Prinzip toxisch oder die Exposition chronisch wäre. Für unbekannte Substanzen, wie möglicherweise genotoxische Kanzerogene, liegt der Wert bei 15 µg/d.

    5            Welche Maßnahmen sind daraus abzuleiten?

    Stoffe, die in Konzentrationen oberhalb des LOI oder des TTC nachgewiesen werden, müssen zunächst eindeutig identifiziert werden. Wenn es sich um Abbauprodukte eines Inhaltsstoffes handelt, scheitert dieses häufig an Ermangelung z.B. geeigneter Standards zur Identifizierung bzw. kann nur durch die jeweiligen Rohstoffhersteller erfolgen. Zum Teil kann auf Basis des Massenspektrums in Verbindung mit Kenntnissen zu den eingesetzten Substanzen ein Identifizierungsvorschlag abgeleitet werden.

    Ist eine Substanz nicht zu identifizieren, muss diese bewertet werden.

    6            Bewertung

    Werden Stoffe mit Begrenzungen ermittelt, muss das Ergebnis durch spezifische Messungen verifiziert werden, wenn Mengen > 20% des Grenzwertes ermittelt werden, da es sich um ein halbquantitatives Verfahren mit einer Messunsicherheit von ca. 80% handelt. Berücksichtigt werden muss zusätzlich die Löslichkeit der Substanz in der ausgewählten Simulanz in Zusammenschau mit den gewählten Prüfbedingungen.

    Ob die im Screening entdeckten Stoffe ohne Evaluierung durch die EFSA den Forderungen der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 für Lebensmittelkontaktmaterialien entsprechen, ist gemäß international anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen für Risikobewertungen zu beurteilen. Diese Risikobewertung ist Bestandteil der Konformitätsarbeit und muss den zuständigen Behörden auf Verlangen vorgelegt werden. PlasticEurope hat auf ihrer Webseite Leitlinien veröffentlicht, auf deren Basis eine Risikobewertung aufgebaut werden kann. Ein Risiko setzt sich zusammen aus der Gefährdung und der Exposition. Wenn ich einer Gefährdung nur in sehr geringen Mengen ausgesetzt bin, ist das Risiko geringer, als wenn ich ihr in hohen Mengen ausgesetzt bin. Wird der Stoff also in einer Verpackung für ein Lebensmittel festgestellt, das üblicherweise nur in geringen Mengen konsumiert wird (z.B. Verpackung für Gewürze) ist das Risiko als geringer einzuschätzen als wenn der Stoff in einer Verpackung für ein Produkt enthalten ist, das oft und in großen Mengen konsumiert wird (z.B. Getränkeverpackung).

    Gerne übernehmen wir die Konformitätsarbeit für Sie. Für ein unverbindliches Angebot sprechen Sie uns gerne an.

    Testservice:

    Im Testservice Inno-Letter veröffentlichen wir News rund um Prüfungen für Folienverpackungen insbesondere die, die wir selber anbieten: http://www.innoform-testservice.de/tpages/benefit/qualitycontrol.php

    Im fünften Teil des INNO-Letters werden wir uns mit den weiteren Prüfungen für die Erstellung einer Konformitätserklärung beschäftigen.

    Lesen Sie hier noch einmal

    Tei 1: Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen – so geht es
    Teil 2: Auswertung der Daten
    Teil 3: Überprüfung der Einhaltung von Grenzwerten

  • Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011 (Teil 3)

    Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011 (Teil 3)

    Teil 3: Überprüfung der Einhaltung von Grenzwerten (SML-Werte, SML(T), QMA, etc.)

    Kurzzusammenfassung

    In den ersten beiden Teilen dieser Reihe von INNOLETTERN haben wir ausgeführt, welche Belege erforderlich sind, um eine Konformitätserklärung gemäß Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 zu erstellen und wie die gesammelten Daten ausgewertet werden. Im dritten Teil dieser Reihe von INNOLETTERN stellen wir die möglichen Alternativen zur Überprüfung der Einhaltung von spezifischen Grenzwerten vor.

    1 Angaben der Lieferanten

    In den Dokumenten zur Bestätigung der lebensmittelrechtlichen Konformität der Inhaltsstoffe sind regelmäßig Substanzen aufgeführt, für die Begrenzungen und Spezifikationen gelten. Für Kunststoffe können die Grenzwerte für diese Stoffe den Spalten (8) bis (11) der Unionsliste aus Tabelle 1, Anhang 1 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 entnommen werden:

    Abbildung 1: Auszug aus Tabelle 1

    Um sicher zu stellen, dass keine Stoffe, die die menschliche Gesundheit gefährden können, in Mengen auf das Lebensmittel übergehen können, müssen alle migrierfähigen Stoffe berücksichtigt werden. Dazu zählen auch Stoffe, die in Druckfarben, Klebstoffen oder anderen Materialien, welche nicht unter die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 fallen, enthalten sind. Dabei sind alle Einzelkomponenten der fertigen Verpackung bzw. des Bedarfsgegenstandes in Gänze zu berücksichtigen, z.B. auch Etiketten, Kennzeichnungsdruck, Verschlüsse, Ausgießer etc.

    Hat der Aussteller einer Erklärung für eine Einzelkomponente bereits die Einhaltung aller oder einzelner Grenzwerte für eine definierte Anwendung kontrolliert, so werden diese Angaben für jeden Stoff mit den Bedingungen der vorgesehenen Verwendung abgeglichen. Nur wenn der in der Konformitätserklärung beschriebene Anwendungsbereich mindestens die gleiche oder eine höhere Anforderung an das Material stellt als der vorgesehene Anwendungszweck, ist eine Konformität gegeben.

    Die Überprüfung der Einhaltung der Grenzwerte kann auch an den Kunden delegiert werden. Dies muss eindeutig aus der Erklärung hervorgehen.

    Nachfolgend werden die unterschiedlichen Methoden erklärt, mit denen die Einhaltung spezifischer Migrationsgrenzwerte (SML) überprüft werden kann.

    2 Spezifische Migration

    Auf Basis der vorgesehenen Verwendung (Anwendung) wählt man zunächst die passende(n) Simulanz(ien) und Prüfbedingung(-en) aus (mehr dazu im Teil 2 dieser Innoletter-Serie). Das zu prüfende Material wird mit diesen Simulanzien unter den ausgewählten Prüfbedingungen in Kontakt gebracht und anschließend der Gehalt der Substanz im Migrat bestimmt. Durch die Vielzahl an zugelassenen Monomeren, Additiven sowie Zusatz- und Hilfsstoffen müssen ggfs. verschiedenste Analysemethoden bemüht werden, um z.B. den Gehalt der Stoffe im Migrat zu bestimmen. „Die analytische Universalmethode“ zur Bestimmung aller migrierfähigen Stoffe in einem Rutsch existiert nicht und wird auch in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen.

    Zudem wird eine Vielzahl von Stoffen verwendet, für die analytische Methoden gänzlich fehlen oder deren Bestimmung nur in einzelnen Simulanzien möglich ist. Regelmäßig sind von einzelnen Stoffen, bzw. Reaktions- und Abbauprodukten, trotz positiver Listung, keine Kalibrierstandards erhältlich. Diese werden aber zwingend benötigt, um Analysemethoden zu entwickeln. Einzelne Substanzen sind in Simulanzien keiner Analytik mit den erforderlichen Bestimmungsgrenze zugänglich und/oder reagieren mit der Simulanz. Man kann also zusammenfassen, dass die Analytik nicht für alle in der Tabelle 1 der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 genannten Substanzen sichergestellt ist, was für nicht gelistete migrierfähige Substanzen natürlich in besonderem Maße gilt.

    Da für viele Anwendungen die Prüfung mit 2-3 Simulanzien vorgeschrieben ist, ist diese Art der Prüfung in der Regel aufwändig und teuer. Um den Aufwand zu reduzieren, dürfen sogenannte Screeningmethoden angewandt werden, wenn diese als strenger als die oben beschriebene Prüfungsmethode angesehen werden.

    Erfüllt ein Material oder Gegenstand im Screeningverfahren die Migrationsgrenzwerte nicht, so heißt das nicht automatisch, dass das Material nicht konform ist. Letztendlich zählt der Übergang ins Lebensmittel, d.h., wenn durch spezifische Prüfungen mit Lebensmittelsimulantien oder durch Worst- Case-Berechnungen, die aus Sicherheitsaspekten üblicherweise zu einer Überschätzung führen, der Konformitätsnachweis nicht herbeigeführt werden kann, kann schlussendlich durch Überprüfung der Einhaltung der Grenzwerte im Lebensmittel die Konformität nachgewiesen werden.

    Andersherum: Der Nachweis der Nichtkonformität kann am Ende nur durch eine Prüfung der spezifischen Migration in das reale Lebensmittel geführt werden.

    Die Prüfungen mit Simulanzien oder Worst- Case- Berechnungen, z.B. auf Basis von Rezepturangaben oder Gehaltsbestimmungen am Bedarfsgegenstand, stellen lediglich erlaubte Vereinfachungen dar, um den Nachweis der Konformität zu erleichtern.

    3 Screeningmethoden

    3.1 Ersetzung der spezifischen Migrationsprüfung durch die Gesamtmigration

    Unter bestimmten Bedingungen kann die aufwändige Analyse von Stoffen mit SML-Grenzwert anhand von Migrationsversuchen durch die weitaus einfachere und kostengünstigere Gesamtmigrationsprüfung ersetzt werden, was man als „Screening“ bezeichnet, nicht zu verwechseln mit dem sogenannten 10- ppb- Screening per Gaschromatografie-Massenspektrometrie-Kopplung, auf das im weiteren Verlauf dieses Innoletters eingegangen wird.

    Voraussetzung für dieses „Screening“ ist, dass es sich um nichtflüchtige Stoffe handelt, deren SML-Grenzwert unter den Prüfungsbedingungen die Bestimmungsgrenzen der Gesamtmigrationsprüfung überschreitet (Simulanz A, B, C, D1 ≥ 6 mg/kg Lebensmittel, Simulanz D2 ≥ 18 mg/kg Lebensmittel unter Anwendung eines Verhältnisses Oberfläche zu Volumen von 6 dm2 je kg Lebensmittel, das für Verpackungen < 500 g angewendet wird, sofern das Produkt nicht für Säuglinge und Kleinkinder vorgesehen ist). Wichtig ist, dass die Ge-samtmigrationsprüfung unter den in der Regel strengeren Prüfbedingungen für die spezifische Migration durchgeführt wird.

    3.2 Worst Case Berechnung auf Basis des Gehaltes bzw. Restgehaltes (QM= quantum maximum)

    Eine weitere Methode des Screenings zur Überprüfung der Konformität SML-reglementierter Inhaltsstoffe stellt die Worst Case- Berechnung unter Annahme der vollständigen Migration des Migranten in das Lebensmittel dar.

    Basis ist die genaue Kenntnis des maximalen Gehaltes bzw. Restgehaltes der Substanz im Bedarfsgegenstand, z.B. aufgrund von Rezepturkenntnissen. Bei Einsatz von Masterbatches oder Zubereitungen, bzw. Verwendung von fertigen Verpackungsmaterialien, ist der genaue Wirkstoffanteil der fraglichen Substanz häufig nicht bekannt.

    Die Aufnahme des maximal enthaltenen Anteils der Stoffe im Masterbatch bzw. der Zubereitung oder dem fertigen Verpackungsmaterial in die verbindlichen Angaben der Konformitätserklärung bietet eine gute Basis für den Konformitätsnachweis. Hier ist nicht unbedingt der genaue Rezepturanteil gefragt; ausreichend ist die Bestätigung der Einhaltung eines maximalen Grenzwertes für alle zukünftigen Lieferungen, dessen Höhe wiederum die Einhaltung der SML-Grenzwerte für ihren vorgesehenen Einsatzbereich sicherstellt. Ist der enthaltene Anteil nicht bekannt, kann letztendlich auch eine Analyse durchgeführt werden, um diesen zu ermitteln. Für viele gängige Substanzen stehen geeignete Analysemethoden zur Verfügung.

    Abbildung 2: Beispielrechnung auf Basis des Restgehaltes aller Stoffe; die Stoffe im Masterbatch wurden mit 100% angesetzt, da keine Informationen zum Gehalt vorlagen

    Pro und Contra des „Screenings auf Basis Restgehalt/ Worst Case“- Rechnung:

    • Bei der analytischen Gehaltsbestimmung handelt es sich um eine Momentaufnahme, andere Chargen können ggfs. abweichen

    • Die weitere Berechnung unter Annahme des vollständigen Überganges überschätzt bisweilen stark die tatsächlichen Verhältnisse, So kann bei einigen sehr häufig verwendeten Additiven, wie z.B. Irganox® 1076 (Octadecyl-3-(3,5-di-tert-butyl-4-hydroxyphenyl)propionat; CAS 2082-79-3) der Restgehalt gerade bei dicken Materialien oberhalb des Grenzwertes liegen, so dass die Einhaltung des Grenzwertes über eine Restgehaltsbestimmung manchmal nicht gegeben ist. Sollte dies der Fall sein, muss eine spezifische Migrationsprüfung oder ein Modelling ergänzend durchgeführt werden

    • Einige Monomere wie z.B. Caprolactam haben in der Regel einen recht hohen Restgehalt, migrieren aber durch den Aufbau der Verpackung in Mengen unterhalb der Grenzwerte in ein Lebensmittel bzw. eine Lebensmittelsimulanz. Auch hier ist im Zweifel die spezifische Migrationsanalyse, möglicherweise sogar im Lebensmittel, zum Beleg der Konformität nicht zu vermeiden.

    • Die Screening- Methoden, haben den großen Vorteil, dass anstatt mehrerer Analysen in den unterschiedlichen Simulanzien und unter verschiedenen Migrationsbedingungen (Temperatur/ Zeit) nur eine einzige Analyse, bzw. im günstigsten Fall, eine Berechnung erforderlich ist, da ja ohnehin immer vom vollständigen Übergang ausgegangen wird.

    3.3 Migrationsmodellberechnung

    Eine weitere Methode des Screenings zur Überprüfung der Konformität SML-reglementierter Inhaltsstoffe stellt das sogenannte „Modelling´“ zur Abschätzung des Migrationspotenzials einzelner Stoffe dar. Grundlage ist, wie unter Punkt 3.2 (Worst- Case- Berechnung), die Kenntnis des Restgehalts des Stoffes im Material, auf dessen Basis unter Anwendung allgemein anerkannter, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Diffusionsmodelle, das Migrationspotential für die vorgesehen Anwendung abgeschätzt werden kann.

    Die Methode führt zu einer weniger starken Überschätzung als das Screening durch die „einfache Worst- Case-Berechnung“, da nicht automatisch von einem vollständigen Übergang ausgegangen wird. Das Migrationspotential wird hier durch Anwendung materialspezifischer Diffusions- und Löslichkeitskoeffizienten sowie des Einflusses von Temperatur und Zeit bei der vorgesehenen Anwendung auf Basis der bekannten Diffusionsgesetze qualifiziert abgeschätzt.

    Bekannte Softwareprodukte sind erhältlich z.B. von Fabes, AKTS, INRA Safe Food Packaging Portal (Freeware: http://modmol.agroparistech.fr/)

    Erforderliche Informationen

    Polymer
    → Dicke + Dichte
    → Diffusionskoeffizienten (AP’*)

    Migrant
    → Identität
    → Gehalt
    → Verteilungskoeffizient (KP,F)

    Migrationsbedingungen
    → Simulanz
    → Zeit / Temperatur
    → Verhältnis Oberfläche zu Volumen

    Abbildung 3: Veröffentlichung JRC

     

    Eine Veröffentlichung dazu finden Sie unter http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/111111111/14935/1/reqno_jrc59476_mathmod_v10_cs_2010_09_24_final.pdf%5b1%5d.pdf

    Hierzu sind „Union Guidelines“ der EU-Kommission in Vorbereitung.

    3.4 Ersatz für Lebensmittelsimulanzien

    Beim Screening auf spezifische Migration können Lebensmittelsimulanzien durch Ersatzlebensmittelsimulanzien ersetzt werden, wenn wissenschaftlich belegt ist, dass die Ersatzlebensmittelsimulanzien die Migration im Vergleich zu den geregelten Lebensmittelsimulanzien überschätzen.

    In der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 ist leider nicht angegeben, was als wissenschaftlicher Beleg anerkannt wird. Daher haben wir nachfolgend ein paar Möglichkeiten aufgelistet, die aus unserer Sicht als Nachweis dienen könnten:

    3.4.1 Wissenschaftliche Studien

    Die ISPRA veröffentlicht z.B. Migrationsstudien über einzelne Additive, wie die nachfolgend abgebildete Zusammenfassung zu Octadecyl 3-(3,5-di-tert-butyl-4-hydroxyphenylpropionat) (=Irganox® 1076):

    3.4.2 Eigene Vergleichsuntersuchungen

    Wird bei eigenen Migrationsuntersuchungen mit verschiedenen Simulanzien festgestellt, dass ein Material nur in einer Simulanz deutliche Mengen des zu untersuchenden Stoffes abgibt, so könnte man bei Kontrolluntersuchungen an einem Material mit identischen Inhaltsstoffen die Migration nur in dieser Simulanz überprüfen.

    Da die Löslichkeit von Stoffen auch davon beeinflusst wird, welche anderen Stoffe in einer Lösung vorhanden sind, also in der Gesamtheit migrieren können, sind diese Daten nicht auf alle Produkte übertragbar.

    3.4.3 Löslichkeitsdaten

    Die Löslichkeit eines Stoffes in einer Simulanz ist von unterschiedlichen Parametern abhängig. Deutlichen Einfluss auf die Löslichkeit hat die Temperatur, die entsprechend der Anwendung für alle Simulanzien ausgewählt wird.

    Unterschiede ergeben sich z.B. aus der Polarität der zu untersuchenden Stoffe. Sind sie polar, also enthalten sie Ladungen oder liegen als Ionen wie z.B. Salze vor, so sind sie in polaren Simulanzien wie z.B. Simulanz A (Ethanol 10%) besser löslich als in unpolaren Simulanzien wie z.B. Simulanz D2 (pflanzliches Öl). Eher unpolare Stoffe wie Mineralöle reichern sich zum Beispiel nicht in Salzen an. Zur Abschätzung, ob ein Stoff eher fett- oder wasserlöslich ist, kann der n-Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient herangezogen werden.

    n-Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient (Kow-Wert)

    „Der Kow-Wert ist ein Modellmaß für das Verhältnis zwischen Lipophilie (Fettlöslichkeit) und Hydrophilie (Wasserlöslichkeit) einer Substanz. Die Erwartung ist, mit Hilfe des Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten auch die Verteilungskoeffizienten dieses Stoffes in anderen Systemen mit einer wässrigen und einer lipophilen Phase abschätzen zu können. Kow ist größer als eins, wenn eine Substanz besser in fettähnlichen Lösungsmitteln wie n-Oktanol löslich ist, kleiner als eins wenn sie besser in Wasser löslich ist. Entsprechend ist Log P positiv für lipophile und negativ für hydrophile Substanzen.“ (Wikipedia®)

    Für die Substanz 2,5-Thiophendiylbis(5-tert-butyl-1,3-benzoxazol), CAS 7128-64-5, FCM500, Grenzwert 0,6 mg/kg Lebensmittel, wird im Sicherheitsdatenblatt ein log POW > 6 angegeben, also ein Wert, der lipophile Stoffe kennzeichnet. Eine Prüfung in pflanzlichem Öl dürfte auf Grund der besten Löslichkeit den Worst-case für diesen Stoff darstellen.

    pH-Wert

    Der pH-Wert hat großen Einfluss auf die Löslichkeit von Metallen sowie einer Reihe von organischen Verbindungen (z.B. mit leicht protonierbaren funktionellen Gruppen wie Carboxyl-gruppen). So ist die Löslichkeit von Phenolen im alkalischen Milieu (pH>7) durch Bildung von Phenolat-Ionen erheblich gesteigert, während die Löslichkeit von Aminen durch Protonierung der Aminogruppe im sauren Bereich (pH<7) gesteigert wird. Daher wird z.B. Essigsäure 3% für die „worst-case Analyse“ von primären aromatischen Aminen herangezogen.

    4 Migrationsscreening oder 10ppb-Screening

    Das Migrationsscreening, auch 10 ppb-Screening genannt, ist keine Screeningmethode im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 10/2011. Es dient der Plausibilitätsprüfung der Angaben in der Konformitätserklärung oder der Identifikation von Verunreinigungen (NIAS = non-intentionally added substances) und Abbauprodukten. Mit dieser Thematik werden wir uns im nächsten Innoletter näher beschäftigen.

    5 Zusammenstellung der Daten zur Bewertung

    Ist die Bewertung abgeschlossen, sollten alle Daten zusammengestellt werden, um z.B. einer Behörde gegenüber nachweisen zu können, auf welcher Basis die Einhaltung der Grenzwerte bestätigt wurde. Nachfolgend finden Sie ein Beispiel, wie der „Innoform – Konformitätsstatus“ alle nachzuweisenden Informationen übersichtlich zusammenfasst:

    Gerne übernehmen wir die Konformitätsarbeit für Sie. Für ein unverbindliches Angebot sprechen Sie mich bitte an:

    Heike Schwertke
    +49 441 9498614
    Heike.Schwertke@innoform.de

     

    Testservice:

    Im Testservice Inno-Letter veröffentlichen wir News rund um Prüfungen für Folienverpackungen insbesondere die, die wir selber anbieten: http://www.innoform-testservice.de/tpages/benefit/qualitycontrol.php

    Im vierten Teil des INNOLETTERS werden wir uns mit dem 10 ppb-Screening und der Beurteilung von Verunreinigungen (NIAS = non-intentionally added substances) und Abbauprodukten beschäftigen.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011- Teil 2

    Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff nach Verordnung (EU) Nr. 10/2011- Teil 2

    Im ersten Teil dieser Reihe von INNOLETTERN haben wir aufgeführt, welche Belege erforderlich sind, um eine Konformitätserklärung gemäß Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 zu erstellen. Im zweiten Teil dieser Reihe, in der die erforderlichen Maßnahmen und Prüfungen für die Erstellung von Konformitätserklärungen Schritt für Schritt erklärt werden berichten wir, wie die gesammelten Daten auszuwerten sind.

    1 Auswertung der Daten

    Auf Basis der Dokumente zur Bestätigung der lebensmittelrechtlichen Konformität aller Inhaltsstoffe der Materialien und Gegenstände für den Lebensmittelkontakt und der vorgesehenen Verwendung (Anwendung) kann die Konformität eines Bedarfsgenstandes beurteilt werden und, falls erforderlich, offene Punkte der Konformitätsarbeit abgeleitet werden.

    2 Dokumente zur Bestätigung der lebensmittelrechtlichen Konformität aller Rezepturbestandteile

    2.1 Prüfung auf Aktualität:

    Beziehen sich die genannten Vorschriften auf die aktuelle Gesetzgebung inkl. aller Anpassungen?

    • Sind alle Vorschriften genannt, die für diesen Rohstoff / Bedarfsgegenstand relevantsind?
    • Sind Stoffe gelistet, die migrieren können?
    • Wenn ja, gelten für diese Stoffe Begrenzungen?
    • Sind nicht bewertete Stoffen enthalten?
    • Wird für nicht bewertete Stoffe bestätigt, dass diese hinter einer funktionellen Barriere (FB) eingesetzt werden?
    • Sind nicht bewertete Stoffe nachweislich nicht „mutagen“, „karzinogen“ oder „reproduktionstoxisch“ und weisen keine bewusst erzeugte Nanostruktur auf?
    • Wird die Einhaltung der Grenzwerte bestätigt?
    • Wenn ja, für welche Anwendung?
    • Sind Inhaltstoffe vorhanden, deren Verwendung in Lebensmitteln einer Beschränkung unterliegt („dual use additives“)
    • Welche Art von Prüfungen sind durchgeführt worden?

     

    2.3 Ablaufplan zur Dokumentenprüfung:

     

    3 Vorgesehene Verwendung (Anwendung)

    Lebensmittel sind eine sehr komplexe Matrix. Daher kann es schwierig sein, migrierende Stoffe aus Kunststoffen im Lebensmittel selbst zu analysieren. In der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 wurden daher Prüfmedien festgelegt, die den Übergang von Stoffen aus dem Kunststoffmaterial in das Lebensmittel simulieren (= Simulanzien). Zur Erzielung vergleichbarer Ergebnisse wurden die Testbedingungen (Dauer und Temperatur) ebenfalls standardisiert. Aus der Anwendung lassen sich somit Simulanzien und Prüfbedingungen ableiten, die den ungünstigsten vorhersehbaren Verwendungsbedingungen des Materials oder Gegenstands aus Kunststoff entsprechen.

    3.1 Füllgut (= Lebensmittel)

    Die Lebensmittelsimulanzien werden entsprechend der vorgesehenen Verwendung ausgewählt:

     

    Lebensmittelsimulanz Lebensmittel
    A (Ethanol 10 Vol.-%) wässrige (hydrophile) Lebensmittel
    B (Essigsäure 3 Gew.-%) saure Lebensmittel (pH < 4,5)
    C (Ethanol 20 Vol.-%) alkoholische Lebensmittel (≤ 20%) und Lebensmittel mit
    erheblichem Gehalt an organischen Inhaltsstoffen
    D1 (Ethanol 50 Vol.-%) Öl-in-Wasser-Emulsionen und alkoholische Lebensmittel
    (> 20%)
    D2 (Pflanzliches Öl) fettige (lipophile) Lebensmittel
    E (Poly(2,6-diphenyl-p-phenylenoxid),
    Partikelgröße 60-80 Mesh,
    Porengröße 200 nm)
    trockene Lebensmittel

     

    Eine spezifische Auswahl der Simulanzien erfolgt nach Tabelle 2 des Anhangs III der Verordnung (EU) Nr. 10/2011, in der Lebensmittel(gruppen) den einzusetzenden Simulanzien gegenübergestellt sind:

     

    Abbildung 1: Auszug aus Tabelle 2

    Sind die Materialien und Gegenstände für den Kontakt mit mehreren Arten von Lebensmittel bestimmt, so gilt folgende Zuordnung für die Prüfung der Gesamtmigration:

    Lebensmittelsimulanz Alle Arten Alle Arten
    außer sauer
    wässrig,
    alkoholhaltig,
    Milcherzeugnisse
    wässrig,
    sauer,
    alkoholhaltig,
    Milcherzeugnisse
    wässrig,
    alkoholhaltig
    (<20 %)
    wässrig,
    sauer,
    alkoholhaltig
    (<20 %)
    A (Ethanol 10 Vol.-%) x x
    B (Essigsäure 3 Gew.-%) x x x
    C (Ethanol 20 Vol.-%) x x
    D1 (Ethanol 50 Vol.-%) x
    D2 (Pflanzliches Öl) x x x

     

    3.2 Kontaktbedingungen

    Auch hier bestimmt der vorgesehene Anwendungszweck die Auswahl der Prüfparameter. Dabei sind die ungünstigsten vorhersehbaren Verwendungsbedingungen hinsichtlich Kontaktdauer und  Kontakttemperatur zwischen Lebensmittel und Bedarfsgegenstand wie z.B. Abfülltemperatur, Wärmebehandlung, Lagertemperatur, Haltbarkeit / Lagerzeit, Zubereitung in der Verpackung etc. zu berücksichtigen. Für die Prüfung der Gesamtmigration und der spezifischen Migration gelten unterschiedliche Prüfbedingungen.

    Prüfbedingungen Gesamtmigration

    Die Prüfbedingungen sind der Tabelle 1 und 2 des Kapitels 2 des Anhangs V zu entnehmen. Ist das Material oder der Gegenstand für eine Anwendung im Kontakt mit Lebensmitteln bestimmt, bei der es/er nacheinander einer Kombination von mindestens zwei Kontaktdauern und -temperaturen ausgesetzt ist, so wird das Probeexemplar bei der Migrationsprüfung nacheinander allen für die Probe geltenden ungünstigsten vorhersehbaren Bedingungen unter Verwendung derselben Portion des Lebensmittelsimulanz unterworfen. Bei einer Kontaktdauer von mehr als 30 Tagen gelten besondere Bedingungen, die berechnet werden können oder der nachfolgenden Liste entnommen werden können:

    Prüfung
    Nummer
    Prüfbedingungen Vorgesehene Lebensmittelkontaktbedingungen
    OM 1 10 d bei 20 °C Jeglicher Lebensmittelkontakt unter Tiefkühlungs- und Kühlungsbedingungen
    OM 2 10 d bei 40 °C Jegliche Langzeitlagerung bei Raumtemperatur oder darunter,
    einschließlich Erhitzung auf 70 °C bis zu 2 Stunden lang
    oder Erhitzung auf 100 °C bis zu 15 Minuten lang.
    OM 5 2 h bei 100 °C oder bei
    Rückfluss oder alternativ
    1 h bei 121 °C
    Hochtemperaturanwendungen bis zu 121 °C. Unter die Prüfung
    OM 5 fallen auch die für OM 1, OM 2, OM 3 und OM 4
    beschriebenen Lebensmittelkontaktbedingungen. Sie stellt
    die ungünstigsten Bedingungen für alle Lebensmittelsimulanzien
    in Berührung mit Polyolefinen dar.

     

    4 Zusammenfassung der Konformitätsarbeit

    Liegen alle erforderlichen Bestätigungen vor, so ist die Konformitätsarbeit abgeschlossen und eine eigene Konformitätserklärung kann erstellt werden. Falls Informationen fehlen, kann aus den ermittelten Daten ein Maßnahmenplan erstellt werden, der sowohl fehlende Bestätigungen der Zulieferer als auch offene Prüfungen enthält.

    Abbildung 2: Beispiel eines Maßnahmenplan aus einem Innoform-Konformitätsstatus

     

    Beispiel

    Wir bei Innoform haben dafür ein festgelegtes Verfahren in unserer EDV programmiert, mit dessen Hilfe wir die Konformitätsarbeit strukturiert und systematisiert haben. Dieser Prozess ist so sicher, dass wir Ihnen den größten Teil der Konformitätsarbeit abnehmen können und möchten.

    Und das funktioniert so:

    1. Sie schicken uns ihren Materialaufbau, Informationen zur Anwendung des Bedarfsgegenstandes, die vorliegenden Konformitätserklärungen aller Inhaltsstoffe und sofern
      bekannt, die Ansprechpartner Ihrer Lieferanten.
    2. Wir werten die Daten aus, fragen, falls gewünscht, die fehlenden Informationen bei Ihren Lieferanten an und erstellen Ihnen einen Maßnahmenplan.
    3. Für alle Stoffe mit Begrenzung erhalten Sie eine Information, ob der Grenzwert eingehalten wird und wenn ja, auf welcher Basis.
      Abbildung 3: Beispiel einer Übersicht aller Stoffe mit Beschränkungen aus einem Innoform- Konformitätsstatus

       

    4. Bei Bedarf erhalten Sie ein Angebot für die erforderlichen Analysen.
    5. Sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich, unterstützen wir Sie gern bei der Erstellung Ihrer Konformitätserklärung oder erstellen ein Konformitätsgutachten.

    Interesse? Gerne erstelle ich Ihnen ein individuelles Angebot!

    Der nächste Inno-Letter wird sich mit der Überprüfung der Stoffe mit Begrenzungen beschäftigen.
    Testservice:
    Im Testservice Inno-Letter veröffentlichen wir News rund um Prüfungen für Folienverpackungen insbesondere die, die wir selber anbieten: http://www.innoformtestservice.de/tpages/benefit/qualitycontrol.php

    Heike Schwertke
    +49 441 9498614
    Heike.Schwertke@innoform.de

  • Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen – so geht es (Teil 1)

    Rechtssichere Erstellung von Konformitätserklärungen – so geht es (Teil 1)

    Welchen Inhalt eine Konformitätserklärung haben muss, kann man dem Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 entnehmen. Welche Angaben im Detail erforderlich sind und auf welcher Grundlage diese erfolgen müssen, ist leider nicht so einfach aus den Vorschriften abzuleiten. Dies ist der erste Teil einer Reihe von INNO-LETTERN, in der die erforderlichen Maßnahmen und Prüfungen für die Erstellung von Konformitätserklärungen Schritt für Schritt erklärt werden. Mehr:


    1            Konformitätsarbeit

     

    Basis für die Erstellung einer Konformitätserklärung ist die Konformitätsarbeit. Wenn man sich einen Baum vorstellt, so ist die Konformitätsarbeit die Wurzel, ohne die der Baum nicht existieren kann. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von Belegen, mit denen der Ersteller der Erklärung nachweisen kann, dass sein Produkt den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 entspricht.

    Für den fertigen Bedarfsgegenstand muss die Konformitätsarbeit in allen Punkten abgeschlossen sein. Dafür werden die Informationen zur Konformität aller verwendeter Rohstoffe zusammengeführt. Für Produkte einer frühen Herstellungsstufe wird in der Regel ein großer Teil der Konformitätsarbeit delegiert. Dies ist aber nur möglich, wenn konkrete Maßnahmen, z.B. welche Stoffe zu überprüfen sind, weitergegeben werden. Für alle nicht delegierten Aspekte, die relevant für die Beurteilung der lebensmittelrechtlichen Konformität des Produktes sind, trägt der Lieferant die Verantwortung.

    Der Käufer eines Produktes kann nur die Verantwortung für die Maßnahmen übernehmen, die an ihn delegiert worden sind.

     

    1.1         Welche Belege sind erforderlich?

    Grundlage für die Konformitätsarbeit ist die Zusammensetzung des zu beurteilenden Bedarfsgegenstandes (Materialaufbau), die Dokumente zur Bestätigung der lebensmittelrechtlichen Konformität und die vorgesehene Anwendung. Aus diesen Daten lassen sich die erforderlichen Prüfungen, Berechnungen oder sonstige Maßnahmen ableiten, die die Konformität des Bedarfsgegenstandes belegen.

     

    Der Materialaufbau sollte nicht nur alle Kunststoffschichten enthalten, sondern auch Klebestoffe, Haftvermittler, Druckfarben etc. Für jede Komponente muss ein Dokument zur Bestätigung der lebensmittelrechtlichen Konformität vorliegen. Diese Dokumente sind unter verschiedenen Begriffen im Umlauf, wie z.B. Konformitätserklärung, Unbedenklichkeitserklärung, Unbedenklichkeitsnachweis, Zertifikat, Hinweis zur Herstellung von Lebensmittelverpackungen usw.

     

    Die Beschreibung der Anwendung sollte z.B. folgende Punkte abdecken:

    • Verwendung (Verpackungsmaterial, Maschinenteil, …)
    • Füllgut (Art, pH-Wert, vorgesehen für Säuglinge und Kleinkinder?)
    • Abfülltemperatur
    • Wärmebehandlung (Temperatur und Dauer)
    • Lagertemperatur
    • Haltbarkeit / Lagerzeit
    • Zubereitung in der Verpackung
    • Oberfläche / Volumen-Verhältnis

     

    Durch folgende Belege kann aufgezeigt werden, dass der Bedarfsgegenstand den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 entspricht:

    • Ergebnisse von Prüfungen (z.B. Migrationsprüfungen)
    • Ergebnisse von Berechnungen, einschließlich Modellberechnungen
    • sonstige Analysen (z.B. Sensorik, Farblässigkeit)
    • Unbedenklichkeitsnachweise
    • wissenschaftliche Belege oder Begründungen

     

    1.2         Wer muss die Belege zusammenstellen?

    Der Hersteller oder Importeure der Rohstoffe, Zwischenprodukte oder Hilfsstoffe, die für die Herstellung von Materialien und Gegenstände, die mit Lebensmittel in Berührung kommen können, verwendet werden, müssen auf jeder Stufe der Herstellung entsprechende Belege bereitstellen.

     

    1.3          Wer bekommt die Belege?

    Diese Unterlagen werden in der Regel nicht an Kunden gegeben. Oftmals enthalten sie vertrauliche Angaben, wie z.B. Rezepturen, Bezeichnungen von Rohstoffen und deren Lieferanten, die als Firmen Know-how nicht nach außen gegeben werden. Die Belege sind auf Anfrage den nationalen Behörden zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen von IFS-Audits können diese Belege ebenfalls überprüft werden.

     

    1.4         Wie oft müssen die Belege überarbeitet werden

    Bleiben die Rezepturen bzw. Formulierungen sowie die Verarbeitungsbedingungen im Rahmen eines Qualitätssicherungssystems konstant und ändert sich nichts an den rechtlichen Bewertungsgrundlagen, ist keine Überarbeitung notwendig.

     

    Um sicher zu stellen, dass die Angaben vom Zulieferer aktuell sind, empfehlen wir in regelmäßigen Abständen überarbeitete Dokumente zur Bestätigung der lebensmittelrechtlichen Konformität anzufordern und zu überprüfen. Gegebenenfalls ist auch der Abschluss einer Vereinbarung mit den Lieferanten möglich, dass diese automatisch über Änderungen informieren.

     

    Beispiel

    Wir bei Innoform haben dafür ein festgelegtes Verfahren in unserer EDV programmiert, mit dessen Hilfe wir die Konformitätsarbeit strukturiert und systematisiert haben. Dieser Prozess ist so sicher, dass wir Ihnen den größten Teil der Konformitätsarbeit abnehmen können und möchten.

    Und das funktioniert so:

    1)    Sie schicken uns ihren Materialaufbau, Informationen zur Anwendung des Bedarfsgegenstandes, die vorliegenden Konformitätserklärungen aller Inhaltsstoffe und sofern bekannt, die Ansprechpartner ihrer Lieferanten.

    2)    Wir werten die Daten aus, fragen, falls gewünscht, die fehlenden Informationen bei ihren Lieferanten an und erstellen Ihnen einen Maßnahmenplan:

     

    Abbildung 1: Beispiel eines Maßnahmenplan aus einem Innoform-Konformitätsstatus

     

    3)    Bei Bedarf erhalten Sie ein Angebot für die erforderlichen Analysen

    4)    Sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich, unterstützen wir Sie gerne bei der Erstellung ihrer Konformitätserklärung oder erstellen ein Konformitätsgutachten

    Interesse? Gerne erstelle ich Ihnen ein individuelles Angebot!

     

    Der nächste INNOLETTER wird sich mit der Auswertung der Daten beschäftigen.

     

    Testservice:

    Im Testservice Inno-Letter veröffentlichen wir News rund um Prüfungen für Folienverpackungen insbesondere die, die wir selber anbieten: http://www.innoform-testservice.de/tpages/benefit/qualitycontrol.php