Schlagwort: Lebensmittelkontaktmaterialien

  • Heike Schwertke über typische Abweichungen in Konformitätserklärungen

    Heike Schwertke über typische Abweichungen in Konformitätserklärungen

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst und wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    Als Leitung des Bedarfsgegenständelabors der Innoform GmbH unterstütze ich unsere Kunden bei der Konformitätsarbeit sowie der Erstellung von Konformitätserklärungen, berate sie bei der Auswahl der erforderlichen Laborprüfungen oder schule die verantwortlichen Mitarbeiter in Unternehmen hinsichtlich der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien. Ein großes Aufgabengebiet ist die Prüfung von Dokumenten (Konformitätserklärung und andere sogenannte „Supporting Documents“ wie Prüfberichte, toxikologische Stellungnahmen zur Einstufung von Stoffen etc.) gemäß den gültigen gesetzlichen Vorgaben für die Bewertung von Materialien und Gegenständen, die für den Kontakt mit Lebensmitteln bestimmt sind.

    Wie sollten die Behörden länderübergreifend kooperieren, um im Gesetzesdschungel mehr Sicherheit und mehr Einheitlichkeit für die Inverkehrbringer zu schaffen?

    Die Harmonisierung der Vorschriften sollte eigentlich auf EU-Ebene durch den Erlass von Einzelmaßnahmen für Gruppen von Materialien und Gegenständen erfolgen. Auf Grund des Mangels an Ressourcen durch die Behörden ist das leider ein sehr langwieriger Prozess; aber auch, da die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ihre eigenen Interessen vertreten wollen. Eine Beschleunigung wäre wünschenswert und einheitliche EU-Vorschriften würden mehr Rechtssicherheit innerhalb der Lieferkette bringen.

    In dem föderalen System der Bundesrepublik Deutschland unterliegt die Lebensmittelüberwachung den obersten Landesbehörden, die eine mehrstufige Behördenorganisation bis hin zu den lokalen Ämtern der Lebensmittelüberwachung koordinieren. Der Umfang der Überwachungen, die hinsichtlich Verpackungen durchgeführt werden, erscheint mir regional sehr unterschiedlich. Daher wäre eine einheitliche Vorgehensweise und klare Stellungnahmen hinsichtlich der Auslegung der Vorschriften sehr hilfreich. Diese Stellungnahmen müssten auch interessierten Kreisen zugänglich sein, damit eine einheitliche Umsetzung erfolgen kann.

    Welcher Bereich sollte aus Ihrer Sicht vom Gesetzgeber dringend geregelt werden?

    Für die Konformitätsbewertung von Verpackungen gibt es eine Vielzahl an Regelungen, die meiner Meinung nach einerseits zu wenig bekannt sind und andererseits manchmal nur sehr rudimentär umgesetzt werden. Weitere Regelungen führen nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Umsetzung, da gerade kleine Firmen mit der Vielzahl an Anforderungen überfordert sind. Daher wäre eine engmaschigere Aufklärung, z. B. durch die Überwachungsbehörden, sehr hilfreich.

    Natürlich gibt es einige Themen, zu denen ich mir persönlich Einzelmaßnahmen auf EU-Ebene wünschen würde, um zu vermeiden, dass immer mehr einzelstaatliche Regelungen verabschiedet werden, wie z. B. Regelungen für Papier oder Druckfarben.

    Die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger. Welche Konsequenzen kann das für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    An den gesetzlichen Vorgaben für die Bewertung von Gegenständen und Materialien für den Kontakt mit Lebensmitteln hat sich in den letzten Jahren eigentlich nicht viel Grundsätzliches geändert. Allerdings legt der Handel den Verwendern von Verpackungen zusätzliche Pflichten auf, um unsere Verpackungen „sicherer“ zu machen. Dadurch wird der Aufwand für die Hersteller für die Prüfung und Bewertung der Materialien immer höher.

    Es gibt aber auch immer wieder Vorgaben zum Schutz der Verbraucher, die durch den Druck des Handels schneller umgesetzt werden, wie z. B. die Migration von Mineralölen.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich das Risiko nicht gelisteter Substanzen ein?

    Aus nahezu jedem Verpackungsmaterial können Substanzen in ein Lebensmittel migrieren, die nicht absichtlich verwendet werden (NIAS = non-intentionally added substances). Dies sind z. B. Oligomere, aber auch Verunreinigungen und Abbauprodukte der verwendeten Substanzen. Zusätzlich dürfen z. B. bei der Herstellung von Kunststoffen Substanzen verwendet werden, die nicht in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 gelistet sind, wie z. B. Farbmittel, Lösungsmittel, aber auch Hilfsstoffe bei der Herstellung von Kunststoffen (polymer production aids, PPA) und Polymerisationshilfsmittel (aids to polymerisation), die nur eine Funktion im Herstellungsprozess haben und nicht dazu bestimmt sind, im fertigen Gegenstand noch vorhanden zu sein.

    Da oftmals gar nicht bekannt ist, welche Stoffe neben den gelisteten Stoffen migrieren können, ist das Risiko sehr schwer einschätzbar. Gerade im Bereich der Verunreinigungen und Abbauprodukte sind Stoffe dabei, von denen man nicht ausschließen kann, dass sie genotoxisch sind. Von diesen Substanzen ausgehende mögliche Gesundheitsrisiken im fertigen Material oder Gegenstand sollten vom Hersteller gemäß international anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen der Risikobewertung beurteilt werden.

    Aus meiner Sicht besteht eine große Kluft zwischen dieser gesetzlichen Anforderung zur Bewertung und der Realität, die es zu beseitigen gilt. Um möglichst schnell einheitliche Bewertungen zu erhalten, könnten z. B. die von der Industrie abgegebenen toxikologischen Bewertungen häufiger von den Behörden wie der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) oder dem BfR (Bundesamt für Risikobewertung) überprüft und veröffentlicht werden.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    In der Konformitätserklärung für Kunststoffverpackungen muss der Packmittelhersteller unter anderem bestätigen, dass Reaktionszwischenprodukte, Abbau- oder Reaktionsprodukte den einschlägigen Anforderungen der Rahmenverordnung genügen und dass gemäß Artikel 19 der Kunststoff-Verordnung eine Risikobewertung durchgeführt worden ist.

    Insbesondere die Bestimmung von unabsichtlich eingebrachten Substanzen (NIAS) und deren Risikobewertung steckt meiner Meinung nach noch in den Kinderschuhen. Gerade für die vorhersehbaren NIAS, wie z. B. die Oligomere oder die Abbauprodukte von Additiven, sollten sowohl Analysemethoden als auch einheitliche toxikologische Bewertungen vorliegen, damit der Packmittelhersteller am Ende der Herstellkette die gesamte Verpackung ohne hohen Aufwand bewerten kann. Hier ist meiner Meinung nach der größte Handlungsbedarf bei allen Akteuren in der Lieferkette.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Grenzwerte sind aus meiner Sicht wichtig für Substanzen, von denen ein Risiko für den Verbraucher ausgeht. Grundsätzlich sind sie hilfreich, um eine einheitliche Bewertung sicherzustellen. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn sich die Grenzwerte auf vorhandene toxikologische Risikobewertungen stützten. Leider gibt es auch in den vorhandenen Positivlisten einige Stoffe, deren Grenzwerte historisch bedingt sind. Beschränkungen für sehr flüchtige Monomere, die sich in der Regel bei der Extrusion verflüchtigen, machen aus meiner Sicht weniger Sinn. Da wäre es hilfreicher, Verarbeitungsbedingungen zu definieren, bei denen die Stoffe in der Regel nicht mehr nachweisbar sind, um Kosten für Untersuchungen zu minimieren.

    Da das Risiko nicht nur vom Gefährdungspotenzial, das von einer Substanz ausgeht, abhängig ist, sondern auch von der Exposition (also der Art und dem Ausmaß, in dem Menschen dem Stoff ausgesetzt sind), finde ich unsere Grenzwerte sehr starr. Die Einbeziehung der Exposition in den Rechtsvorschriften ist allerdings sehr schwer, da keine einheitlichen Daten zu den Verzehrgewohnheiten vorliegen, und diese von sehr vielen Faktoren abhängen (Region, Altersgruppe etc.).

    Sie sprechen in Ihrem Vortrag über „Typische Abweichungen in Konformitätserklärungen“. Was sind überhaupt die Gründe für solche Abweichungen und was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Aus meiner Sicht haben die Abweichungen ganz unterschiedliche Ursachen. Oftmals hängen sie mit fehlenden Detailkenntnissen zusammen, aber auch mit mangelnder Kommunikation innerhalb der Lieferkette. Schwierigkeiten ergeben sich auch immer wieder durch den Umgang mit vertraulichen Informationen.

    Durch meinen Vortrag möchte ich die Teilnehmer für häufig auftretende Probleme sensibilisieren, damit in Zukunft die ein oder andere Nachfrage vermieden wird.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Im Sommer genieße ich Bewegung im Freien, wie z. B. beim Inline-Skaten, Wandern oder Radfahren. Eine weitere große Leidenschaft sind Reisen, durch die ich einige andere Kulturkreise kennenlernen durfte, beeindruckende Kulturschätze besichtigt und überwältigende Landschaften erwandert habe. Durch die eigene Organisation vor Ort bin ich oftmals in Kontakt mit der ortsansässigen Bevölkerung gekommen. Diese Begegnungen führen immer wieder dazu, die eigene Lebensweise erneut zu bewerten.

  • Saskia Both über Aufgaben, Rechte und Pflichten einer Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachungsbehörde

    Saskia Both über Aufgaben, Rechte und Pflichten einer Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachungsbehörde

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst und wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    Als Vertreterin der amtlichen Lebensmittelüberwachung prüfe ich in meiner Funktion als Sachverständige und Laborleiterin für Bedarfsgegenstände am saarländischen Landesamt für Verbraucherschutz (LAV) die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

    Neben der Untersuchung und Beurteilung von amtlich entnommenen Proben spielen zunehmend auch die Prüfung von Dokumenten (Konformitätserklärung, Supporting Documents) und Betriebskontrollen bei Herstellern, aber auch bei Verwendern von Lebensmittelkontaktmaterialien eine immer größere Rolle.

    Sie referieren über Konformitätserklärung, GMP & Co. Was erwartet die Behörde? Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    In diesem Zusammenhang bewegt mich die Tatsache, dass leider oftmals Theorie und Praxis noch weit auseinanderliegen und gerade beim Thema GMP die vom Gesetzgeber geforderte Stufenverantwortung und erforderliche Kommunikation innerhalb der Wertschöpfungskette nicht immer ganz optimal ablaufen. Da gibt es auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf.

    Die gesetzlichen Vorschriften für verwendete Lebensmittelkontaktmaterialien werden besonders im Bereich der Kunststoffverpackungen mit Lebensmittelkontakt immer strenger. Was sind die Hauptprobleme, mit denen die Verpackungsindustrie zu kämpfen hat und die Sie aufdecken?

    Wir sehen immer noch, dass die „Supporting Documentation“ an vielen Stellen zu wünschen übrig lässt, was sich oftmals durch unzureichende Kommunikation erklären lässt. Ebenso tun sich immer noch viele mit der NIAS-Thematik schwer.  Wir finden aber auch immer mal wieder Auffälligkeiten hinsichtlich der sensorischen Eignung, da dem Thema „Sensorik von Verpackungsmaterialien“ nicht immer die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Weiterhin ist beim formalen Punkt der Konformitätserklärung sowie bei der Weitergabe der Konformitätserklärung die Beanstandungsquote nach wie vor recht hoch.

    Welche Konsequenzen können immer strengere gesetzliche Vorgaben für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    Eigentlich sollen strengere gesetzliche Vorgaben  am Ende zu sichereren Produkten führen. Aber nicht immer werden die Anforderungen dadurch übersichtlicher. Zudem wird es durch die steigenden Anforderungen und die zunehmende Komplexität gerade für kleinere und mittlere Unternehmen immer schwieriger, die Vorgaben entsprechend umzusetzen und einzuhalten.

    Welcher Bereich sollte aus Ihrer Sicht vom Gesetzgeber dringend geregelt werden?

    Da würde es einige geben, aber insbesondere wäre es wünschenswert, endlich eine gesetzliche und EU-einheitliche Regelung für Papiere und Pappen im Lebensmittelkontakt zu haben, ebenso wie eine harmonisierte Druckfarben-Regelung.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich das Risiko nicht gelisteter Substanzen sowie die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Nicht gelistete Substanzen zu bewerten stellt sowohl Unternehmen als auch Behörden immer wieder vor Herausforderungen. Insofern erleichtert natürlich eine vorhandene Risikobewertung und ein daraus abgeleiteter SML-Wert die Bewertung eines Stoffübergangs. Wichtig ist dabei allerdings, dass die Risikobewertung und der daraus abgeleitete Grenzwert den aktuellen Anforderungen genügt. Dies ist derzeit leider nicht bei allen festgelegten Grenzwerten im Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien der Fall.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Ich sehe nach wie vor in der Kommunikation besonderen Handlungsbedarf, und zwar  in beide Richtungen der Wertschöpfungskette, aber auch mit Laboren, Behörden sowie oftmals auch betriebsintern.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Reisen, Lesen, Kochen

    Saskia Both ist staatl. gepr. Dipl.-Lebensmittelchemikerin und seit 2008 Laborleiterin für den Bereich Bedarfsgegenstände am saarländischen Landesamt für Verbraucherschutz (LAV) in Saarbrücken. Sie arbeitet in verschiedenen Arbeitsgruppen auf Länderebene mit, beispielsweise ALS (Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder), § 64 AG Bedarfsgegenstände und ist Mitglied der Bedarfsgegenständekommission des BfR.

  • Elisa Mayrhofer

    Elisa Mayrhofer

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Zurzeit bin ich am OFI, dem österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik, tätig. In verschiedenen Abteilungen werden hier Verpackungen, Food sowie Non-Food Produkte, auf diverse Parameter geprüft. Unser Angebotsportfolio ist hier sehr breit angelegt – neben chemischen, physikalischen und mechanischen Prüfungen werden auch Oberflächenanalysen (REM, Mikroskopie), Migrationsprüfungen und sensorische Bewertungen durchgeführt. Außerdem können Verpackungsmaterialien mit mikrobiellen und Zellkultur-basierten Labortests überprüft werden. Meine berufliche Expertise liegt in der Sicherheitsbewertung von unbekannten Substanzen, die aus Verpackungen in das Lebensmittel übergehen können und die mit klassischen Risikobewertungsmethoden oft nicht evaluiert werden können.

    Wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    Um unabsichtlich eingebrachte Substanzen (NIAS, non-intentionally added substances) in Lebensmittelkontaktmaterialien (LMKs) zu bewerten, werden meist chemische Analysenverfahren (GC-MS, HPLC) eingesetzt, mit dem Ziel, vorhandene NIAS zu identifizieren. Eine Identifizierung ist Voraussetzung für eine nachfolgende toxikologische Bewertung, allerdings ist oftmals eine eindeutige Substanzzuordnung nicht möglich. Diese Tatsache sowie fehlende toxikologische Befunde erschweren die Risikobewertung von LMKs. Am OFI verfolgen wir daher eine zusätzliche Strategie. Anders als bei klassischen Ansätzen müssen dafür nicht zwingend alle Einzelsubstanzen identifiziert werden, sondern kritische biologische Effekte, wie z. B. hormonelle oder mutagene Aktivität, ausgeschlossen werden. Solche Effekte können mit verschiedenen in-vitro Assays detektiert werden. Zurzeit arbeiten wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern aus dem Fachbereich Verpackungs- und Ressourcenmanagement der FH Campus Wien im FFG geförderten Forschungsprojekt Migratox an der Entwicklung von passenden Methoden zur Bewertung von LMK-Migraten mittels Bioassays. Wenn Substanzklassen, die bereits in geringsten Konzentrationen gefährlich sein können – wie z. B. DNA-reaktive, genotoxische Substanzen – ausgeschlossen werden können, müssen Substanzen, die im Spurenbereich in die Verpackung übergehen, nicht zwingend einzeln identifiziert und risikobewertet werden.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Sofern Grenzwerte auf toxikologischen Daten basieren, sind sie meiner Meinung nach ein gutes Mittel in der Risikobewertung. Klar definierte Grenzwerte erleichtern ein einheitliches Vorgehen, da einfach festgestellt werden kann, ob Substanzen in zu großer Menge in das Lebensmittel übergehen.

    Wie sollten die Behörden länderübergreifend kooperieren, um im Gesetzesdschungel mehr Sicherheit und mehr Einheitlichkeit für die Inverkehrbringer zu schaffen?

    Generell denke ich, wäre es ein guter Ansatz, gegenseitige Expertise zu teilen, natürlich auch länderübergreifend. Diese Kooperation bietet die Chance, von gegenseitiger Erfahrung zu lernen, um eine optimale Strategie in der LMK Risikobewertung zu identifizieren.

    Welcher Bereich sollte aus Ihrer Sicht vom Gesetzgeber dringend geregelt werden?

    Mir persönlich wäre es besonders wichtig, dass speziell in der Risikobewertung von NIAS genauer definierte Richtlinien festgelegt werden. Aber nicht nur die durchzuführenden Testungen, sondern auch deren Interpretation sollte geregelt werden.

    Die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger. Welche Konsequenzen kann das für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    Strengere gesetzliche Vorgaben können für den Verbraucher eine noch höhere Sicherheit von LMKs garantieren. Allerdings stellen diese Richtlinien Zulieferer sowie Hersteller immer wieder vor große Herausforderungen. Besonders in der NIAS Risikobewertung sind gesetzliche Anforderungen zurzeit technisch nicht gut umsetzbar. Neue Bewertungsstrategien müssen daher einerseits entwickelt, andererseits aber auch breit angelegt etabliert werden.

    Sie referieren über “Bewertung von nicht identifizierbaren NIAS mittels Bioassays”. Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Wie oben bereits erwähnt, versucht unser Forschungsteam neuartige Strategien zur Identifikation von kritischen Substanzklassen, wie mutagenen Verunreinigungen, in LMK-Migraten zu etablieren. Ein besonderes Anliegen ist es mir, die neu gewonnenen Erkenntnisse unserer Forschung an LMK-Hersteller zu vermitteln. Dieser Austausch gibt uns einerseits Feedback, damit wir unsere Forschung genau auf die Bedürfnisse der Anwender abstimmen können. Andererseits gibt es Partnerfirmen die Möglichkeit, diese neuartigen Strategien schon früh in ihrem Unternehmen zu etablieren, um möglichst bald von unseren Erkenntnissen zu profitieren. Gegenseitigen Diskurs finde ich daher ein sehr wichtiges Thema.

    Ihr Vortrag klingt spannend. Wie funktioniert die Methode und welche Vorteile bietet diese?

    Das Ziel der Methode ist es, die Risikobewertung bei Substanzen, die nur in geringen Mengen in das Lebensmittel übergehen, auf jene Verbindungen zu fokussieren, die in geringen Konzentrationen auch tatsächlich gesundheitsgefährlich sein könnten. Wenn man kritischste Effekte, die z. B. von DNA-reaktiven, genotoxischen Substanzen ausgehen, ausschließen kann, könnte das den Aufwand bei der Risikobewertung erheblich reduzieren. Dafür verwenden wir neben chemischer Analytik auch in-vitro Bioassays. Zunächst werden LMKs mit passenden Simulanzlösemitteln migriert. Diese Migrate werden in weiterer Folge konzentriert und danach zur Behandlung von speziellen Zelllinien heran gezogen. Ein Beispiel hierfür wäre eine Reporter-Zelllinie zur Detektion von hormoneller Aktivität. Diese Zelllinie wurde so verändert, dass der Hormonrezeptor nicht wie im Menschen Hormonproduktion steuert, sondern die Produktion von Luciferase fördert. Unter Zugabe von passenden Substraten wird durch Luciferase wie im Glühwürmchen eine Lichtreaktion ausgelöst, die in einem Luminometer detektiert werden kann. Die hormonelle Aktivität der untersuchten Probe ist direkt proportional zum emittierten Licht.

    Wenn ein Signal im Bioassay ausbleibt, kann nicht nur eine einzelne Substanz ausgeschlossen werden, sondern viel mehr die gesamte Substanzklasse, die diesen Effekt auslösen würde. Somit können viele verschiedene Substanzen mit nur einem Test ausgeschlossen werden, ganz ohne Substanzidentifikation.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich das Risiko nicht gelisteter Substanzen ein?

    Das Problem bei nicht gelisteten Substanzen ist, dass man das Risiko häufig nicht so leicht einschätzen kann, da hier vielfach keine toxikologischen Daten vorliegen. Verfolgt man unsere Strategie, kann man diesem Problem aber entgegenwirken, da Risikobewertung nicht basierend auf Substanzidentifikation durchgeführt wird, sondern Produkte am Vorliegen kritischer Effekte gemessen werden.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre ergibt sich sicher aus dem zu erwartenden gesetzlichen Druck, auf Recyclingmaterialien umzusteigen und gleichzeitig ein immer höheres Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Im Sinne unseres Projekts würde es mich natürlich sehr freuen, wenn Packmittelhersteller neuartige in‑vitro Bioassay basierte Teststrategien in ihr Bewertungsportfolio aufnehmen.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Wie auch beruflich, habe ich auch privat einen sehr starken „Entdecker/Forscher-Drang“. Ich begeistere mich gern für neue Dinge, stürze mich immer wieder gern in andere Projekte und strebe auch hier nach Verbesserung. Als Ausgleich zu meinen analytischen Tätigkeiten im Berufsleben versuche ich aber privat, meiner kreativen Seite mehr Raum zu geben und begeistere mich u. a. an dem Ausprobieren neuer (Back-) Rezeptideen.

    Um schon früh wissenschaftliche Kenntnisse auszubilden, besuchte Elisa Mayrhofer eine Höhere Technische Lehranstalt für chemische Industrie. Dieser chemischen Basisausbildung folgte im Jahr 2011 ein Studium der Genetik und Entwicklungsbiologie an der Universität Wien. Im Zuge ihrer Diplomarbeit beschäftigte sie sich mit Grundlagenforschung zum Thema Doppelstrangbruchbildung in der DNA im Modelsystem Saccharomyces cerevisiae. Ihr Masterstudium sowie die daran geknüpfte Forschungsarbeit wurden im Jahr 2018 mit dem Österreichischen Würdigungspreis ausgezeichnet. Seit 2018 ist Elisa Mayrhofer im Rahmen ihrer Dissertation in technischer Chemie (Technische Universität Wien) am OFI, dem österreichnischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik tätig. Dort ist sie als Teil eines motivierten Teams an der Entwicklung und Validierung von in-vitro Bioassay basierten Methoden zur Risikobewertung von Lebensmittelkontaktmaterialmigraten zuständig. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf der Genotoxizitätsbewertung.

    Am liebsten beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Etablierung neuartiger Methoden und Bewertungsstrategien.

  • Kleine Partikel, aber großes Problem: Dr. Ulrich Nehring über Mikroplastik

    Kleine Partikel, aber großes Problem: Dr. Ulrich Nehring über Mikroplastik

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Ich beschäftige mich seit mehr als 25 Jahren mit der Konformitätsbeurteilung von Materialien und Gegenständen, die für den Kontakt mit Lebensmitteln bestimmt sind. Darüber hinaus arbeite ich seit vielen Jahren in Arbeitsgruppen verschiedener Branchenverbände mit, die sich mit den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an Lebensmittelkontaktmaterialien beschäftigen und gegenwärtig in engem Austausch mit dem Gesetzgeber nach einer zukunftsweisenden Überarbeitung und Ergänzung der gesetzlichen Anforderungen suchen.

    Wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    In meiner beruflichen Tätigkeit gibt es eigentlich drei Bereiche, in denen ich mich mit der Beurteilung von Lebensmittelkontaktmaterialien bzw. mit Konformitätsarbeit beschäftige:
    Einerseits bin ich als Gutachter bzw. Sachverständiger tätig und habe in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die lebensmittelrechtliche Konformität von einzelnen Lebensmittelkontaktmaterialien im Auftrag meiner Kunden zu beurteilen und zu zertifizieren. Ich stütze mich dabei auf die sogenannten “supporting documents” und wissenschaftliche Grundlagen.

    Der zweite Bereich meiner beruflichen Tätigkeit ist die Schulung von verantwortlichen Mitarbeitern in Betrieben, die sich mit der Herstellung oder der Verwendung von Lebensmittelkontaktmaterialien und -gegenständen befassen. Es geht bei diesen Schulungen vor allem um die Vermittlung von Wissen über die komplexen lebensmittelrechtlichen Anforderungen in der EU und in anderen Teilen der Welt sowie über die Details einer dem Stand der Technik entsprechenden Konformitätsarbeit.

    Der dritte Bereich meiner beruflichen Tätigkeit ist die Mitarbeit in fachlichen Arbeitsgruppen von Branchenverbänden. Hier geht es gegenwärtig vor allem darum, die notwendige Überarbeitung der lebensmittelrechtlichen Anforderungen in der EU sowie in EU-Mitgliedstaaten mit fachlichem Input konstruktiv zu begleiten und voranzutreiben.

    Wie sollten die Behörden länderübergreifend kooperieren, um im Gesetzesdschungel mehr Sicherheit und mehr Einheitlichkeit für die Inverkehrbringer zu schaffen?

    Eine bessere Zusammenarbeit der Behörden ist tatsächlich länderübergreifend, das heißt in unseren föderalen Strukturen in Deutschland als auch staatenübergreifend in der EU, aber auch global notwendig.  

    In Deutschland kann man insbesondere in der amtlichen Lebensmittelüberwachung enorm große Unterschiede in der Intensität und Kompetenz der durchgeführten Kontrollen zu Bedarfsgegenständen in den Bundesländern feststellen. Dies ist nicht nur schlecht für den Verbraucherschutz, sondern führt auch in den betroffenen Unternehmen, deren Aktivitäten sich in der Regel nicht auf einzelne Bundesländer beschränken, zu großen Verunsicherungen.

    Auf internationaler Ebene in der EU, aber auch global kann man in den vergangenen Jahren einen Trend zu nationalen Alleingängen bei der Gesetzgebung zu Lebensmittelkontaktmaterialien und eine nachlassende Bereitschaft zu einer Harmonisierung erkennen.  Auch dies ist für den Verbraucherschutz sehr nachteilig und behindert zudem den freien Warenverkehr. Wir müssen es also schaffen, an einen Tisch zurückzukehren und mehr Bereitschaft zu Kompromissen aufbringen, wenn langfristig ein verbesserter Schutz für Verbraucher und gleichzeitig ein breites Warenangebot erreicht werden soll.

    Welcher Bereich sollte aus Ihrer Sicht vom Gesetzgeber dringend geregelt werden?

    In der EU ist ja der Katalog von Materialklassen, für die es keine Einzelmaßnahmen, das heißt keine spezifischen lebensmittelrechtlichen Anforderungen gibt, deutlich länger als der Katalog von spezifisch geregelten Lebensmittelkontaktmaterialien. Besonders problematisch ist dies sicher bei relevanten Materialklassen wie Papier & Karton, Klebstoffen, Lackierungen und Druckfarben. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte hat aber gezeigt, dass das Konzept der Rahmenverordnung mit Einzelmaßnahmen für alle Materialklassen gar nicht realistisch umsetzbar ist. Insofern ist es sinnvoll, über ein ganz neues Konzept nachzudenken. Genau dies wird ja auch auf europäischer Ebene gegenwärtig getan. Ich hoffe sehr, dass genügend Mut besteht, alte Zöpfe abzuschneiden und der Verantwortung der Lebensmittelunternehmer ein größeres Gewicht zu verleihen. Dabei darf allerdings das Prinzip der Guten Herstellungspraxis, das ja nicht nur dem Lebensmittelunternehmer abverlangt, stets nach dem Stand der Technik zu arbeiten, sondern auch seine Sorgfaltspflicht mit dem dynamischen Rahmen der technischen Machbarkeit sinnvoll begrenzt, aus den Augen verloren werden.

    Die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger. Welche Konsequenzen kann das für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    Eine systematische und wissenschaftlich begründete Verschärfung von Anforderungen ist ja ein Ausdruck der technischen Entwicklung und der sinnvollen Zielsetzung, Verbraucherschutz ständig zu verbessern. Solche Veränderungen der gesetzlichen Anforderungen werden von keinem, auch nicht von der beteiligten Wirtschaft, abgelehnt. Problematisch für Zulieferer und Hersteller von Lebensmittelkontaktmaterialien sind in den vergangenen Jahren besonders solche Rechtsvorschriften gewesen, die überwiegend aus politischem Aktionismus  heraus und ohne solide wissenschaftliche Begründung entstanden sind und meistens nationale Alleingänge dargestellt haben. Solche Anforderungen behindern nicht nur den freien Warenverkehr, sie können auch unmittelbar zu einer Verschlechterung des Verbraucherschutzes führen. Ein gutes Beispiel für eine solche Anforderung ist das Verbot von Bisphenol A in Frankreich.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich das Risiko nicht gelisteter Substanzen ein?

    Das gesundheitliche Risiko von Ausgangsstoffen für Lebensmittelkontaktmaterialien lässt sich ja nicht grundsätzlich, also pauschal, sondern nur sehr spezifisch bewerten. Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass Lebensmittelkontaktmaterialien, für die keine Positivliste von Ausgangsstoffen aufgestellt wurde, grundsätzlich ein höheres gesundheitliches Risiko für Verbraucher darstellen als die wenigen Materialien, für die es eine solche Liste gibt. Entscheidend für eine Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird es aus meiner Sicht sein, dass es uns gelingt, allgemeine Kriterien für eine Risikobewertung von Stoffen, die aus Lebensmittelkontaktmaterialien auf Lebensmittel übergehen können, zu definieren, die dem Stand der Toxikologie und Analytik entsprechen und zudem eine realistischere Expositionsbetrachtung berücksichtigen. Es gibt ja deutliche Anzeichen dafür, dass das Prinzip der Positivlisten nicht aufrecht zu erhalten ist, weil die Kapazitäten amtlicher Risikobewertungsinstitutionen in der EU bei Weitem nicht ausreichen, um in akzeptabler Zeit die enorm große Zahl an möglichen Stoffen aus Lebensmittelkontaktmaterialien zu bewerten und für eine Listung vorzubereiten. Eine Risikobewertung von Stoffen in der Verantwortung der Lebensmittelunternehmer nach gesetzlich festgelegten Prinzipien und Verfahren und  mit amtlicher Überwachung wäre nach meiner Einschätzung eine funktionierende und sichere Alternative.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Hersteller und Inverkehrbringer von Lebensmittelkontaktmaterialien müssen  die Konformitätsarbeit deutlich detaillierter und intensiver durchführen. Dies ist vor allem für mittelständische Unternehmen, die ja den Markt beherrschen, eine große Herausforderung. Gelingen wird dies auch nur, wenn die Wertschöpfungsketten übergreifende Zusammenarbeit der Unternehmen weiter verbessert wird und mehr Transparenz in der Kommunikation herzustellen ist.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Wo Grenzwerte wie SMLs existieren, ist der Nachweis von Konformität und Nicht-Konformität formal natürlich immer deutlich einfacher als ohne solche Maßstäbe. Die vorhandenen Grenzwerte stützen sich aber nicht alle auf eine Risikobewertung, die heutigen Ansprüchen noch genügen kann. Insofern muss man sich die Grenzwerte jeweils kritisch anschauen. Außerdem ist das Aufstellen von gesetzlichen Grenzwerten an komplizierte formale und amtliche Verfahren gebunden, die weder der Anzahl der zu bewertenden Stoffe noch dem Tempo der Innovation gerecht werden können. Insofern ist das Konzept der Grenzwerte im Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien zwar komfortabel für alle, die Konformität nachweisen oder überwachen müssen, es ist aber vermutlich nicht das Mittel der Wahl, um den Verbraucherschutz in diesem Bereich mittelfristig weiter zu verbessern.

    Sie referieren über „Mikroplastik – kleine Partikel und großes Problem?“  Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Als Naturwissenschaftler bewegen mich an diesem Thema vor allem die vielen unbeantworteten wissenschaftlichen Fragestellungen. Das fängt mit einer klaren Definition für Mikroplastik an und geht über ökologische und gesundheitliche Bedeutung sowie analytische Herausforderungen hin zu Optionen der Vermeidung. Was mich an dem Thema auch bewegt, ist das enorme Potential einer Emotionalisierung. Unsere Aufgabe als Naturwissenschaftler ist neben der Beantwortung der wissenschaftlichen Fragen auch, die Diskussion immer wieder so weit wie möglich auf einen sachlichen Teppich zurückzuholen und politischen Aktionismus ohne wissenschaftliche Begründung  nach Kräften zu vermeiden.

    Bei Mikroplastik denken die Verbraucher vor allem an Marine-Littering und in erster Linie an die Verpackungsbranche. Als erste Quelle von Mikroplastik wird allerdings der Abrieb von Autoreifen angesehen, der rund ein Drittel der gesamten Mikroplastik-Emissionen darstellt. Müssen wir zurück zu Pferd und Kutsche? Und ist die Verpackungsindustrie nur der Sündenbock?

    Dies ist schon ein erster Effekt der Emotionalisierung. Es ist bereits belegt, dass Mikroplastik in Gewässern überwiegend auf Abrieb aus Fahrzeugbereifung zurückzuführen ist und dass Verpackungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aber das Bild von einem Berg schmutziger PET-Flaschen, die am Ufer eines brackigen Gewässers dümpeln, ist nun einmal viel einprägsamer und im Fernsehbild einfacher darzustellen als kaum sichtbarer Reifenabrieb. Nichts gegen Reitsport und eine schöne Ausfahrt mit der Kutsche, aber ein Weg zurück, wenn es ihn überhaupt gibt, ist niemals die Lösung. Wir müssen nach vorne gehen, die Thematik sachlich und wissenschaftlich fundiert aufarbeiten und geeignete Lösungen entwickeln. Dabei kann ein Blick zurück auf Mittel und Wege, die der Vergangenheit angehören und vergessen sind, allerdings nicht schaden.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Obgleich ich ein echter Flachlandindianer bin, begeistern mich seit meiner Kindheit die Berge. Dort  bewege ich mich zu Fuß, auf Skiern oder mit dem Fahrrad und genieße die großartige Landschaft. Bei schlechtem Wetter oder Dunkelheit lese ich ein gutes Buch oder höre Musik. Wenn ich bei all dem meine Familie um mich habe, fehlt mir eigentlich gar nichts.

  • Angepasste Verodnung (EU) 2018/213 über Verwendung von Bisphenol A in Lacken und Beschichtungen

    Angepasste Verodnung (EU) 2018/213 über Verwendung von Bisphenol A in Lacken und Beschichtungen

    Verordnung (EU) 2018/213 der Kommission vom 12. Februar 2018 über die Verwendung von Bisphenol A in Lacken und Beschichtungen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 hinsichtlich der Verwendung dieses Stoffes in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff (Text von Bedeutung für den EWR.) 

    Der Stoff 2,2-Bis-(4-hydroxyphenyl)-propan (CAS-Nr. 0000080-05-7), gemeinhin bekannt als Bisphenol A (BPA), wird für die Herstellung einiger Materialien und Gegenstände verwendet, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, etwa Polycarbonate und Epoxidharze, die in Lacken und Beschichtungen eingesetzt werden. BPA kann von dem Material oder Gegenstand, mit dem das Lebensmittel in Berührung ist, in das Lebensmittel übergehen, so dass es zu einer BPA-Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher kommt, die solche Lebensmittel verzehren.

    Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit veröffentlichte 2014 ein Gutachten, nach dem der gegenwärtige SML für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff an den neuen t-TDI-Wert (Temporary Tolarable Daily Intake) von 4 µg/kg Körpergewicht pro Tag angepasst werden soll.

    Auf der Grundlage des t-TDI-Wertes, des Allokationsfaktors und der Expositionsannahme wurde daher für Materialien und Gegenstände aus Kunststoff ein SML von 0,05 mg BPA je Kilogramm Lebensmittel (mg/kg) festgelegt.

    Außer in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff wird BPA in beträchtlichem Umfang in Epoxidharzen für Lacke und Beschichtungen verwendet, insbesondere für die Aufbringung auf die Innenflächen von Lebensmittelkonserven. Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, wird der für BPA in Kunststoffmaterialien und -gegenständen festgelegte SML auch für Lacke und Beschichtungen auf Materialien und Gegenständen gelten, wenn diese Lacke bzw. Beschichtungen mit BPA hergestellt worden sind.

    Die Verordnung gilt ab dem 6. September 2018. Lackierte oder beschichtete Materialien und Gegenstände sowie Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die vor dem 6. September 2018 rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, dürfen bis zum Abbau der Bestände in Verkehr bleiben.

    Den vollständigen Verordnungstext finden Sie hier: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018R0213&from=DE

  • Christian Kirchnawy über die Rolle von in-vitro Bioassays bei der Risikobewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien

    Christian Kirchnawy über die Rolle von in-vitro Bioassays bei der Risikobewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien

    Dr. Christian Kirchnawy, geboren in Baden, studierte Lebensmittel- und Biotechnologie an der BOKU in Wien. Bereits im Zuge seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich mit dem Thema “Hormonaktive Substanzen in Kunststoffen”. Im Anschluss an sein Studium setzte er die Arbeit an diesem Thema in Form einer Dissertation am OFI fort, wo er seit Anfang 2010 im großen Forschungsprojekt „Xenohormone“ an der Entwicklung von biologischen und chemischen Methoden zur Untersuchung von Kunststoffen auf hormonaktive Substanzen arbeitet. Im Sommer 2011 übernahm Christian Kirchnawy die wissenschaftliche Leitung des Forschungsprojektes sowie die Leitung des Bereichs Mikrobiologie & Zellkultur am OFI. Der Fokus seiner Arbeit liegt heute auf der Bewertung der Sicherheit von Lebensmittelkontaktmaterialien und Medizinprodukten durch eine Kombination aus chemischer Spurenanalytik und in-vitro Bioassays.

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Ich beschäftige mich beruflich mit neuen Methoden zur Evaluierung der Sicherheit von Verpackungen, insbesondere mit unbeabsichtigt eingebrachten Substanzen (NIAS) und der Rolle, die in-vitro Bioassays bei der Sicherheitsbewertung spielen können. Der Fokus liegt dabei zwar nach wie vor auf der wissenschaftlichen und analytischen Seite – der rechtliche Hintergrund spielt aber auch bei meiner Arbeit eine immer wichtigere Rolle.

    Welche Vorgaben halten Sie für besonders wertvoll und warum?

    Dass durch die EU-Verordnung 10/2011 für Kunststoffe zumindest alle Monomere, Additive und Ausgangsstoffe europaweit einheitlich geregelt sind, halte ich für sehr wertvoll. Ähnliche europaweit harmonisierte Vorgaben würden wir uns auch in anderen Bereichen, z. B. bei Farbpigmenten oder Druckfarben, wünschen.

    Welcher Bereich sollte dringend vom Gesetzgeber aus Ihrer Sicht geregelt werden?

    Bei der Bewertung der Sicherheit von NIAS gibt es derzeit eine große Kluft zwischen dem, was theoretisch vom Gesetzgeber gefordert wird, und dem, was sich in der Praxis mit vertretbaren finanziellen Mitteln analytisch durchführen lässt. Vor allem, wie bei der Bewertung mit nicht identifizierten Substanzen umgegangen werden soll, ist offen.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Aus meiner eigenen beruflichen Perspektive in der Sicherheitsbewertung von NIAS, die – obwohl gesetzlich bereits gefordert von vielen Betrieben – noch fast gar nicht umgesetzt wurde.

    Ein ganz großes Thema werden in den nächsten Jahren aber sicher die steigenden Anforderungen an die Recycling-Quoten sein – das ist aber eher ein Thema für meine Kollegen.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Grenzwerte sind für die Bewertung der Sicherheit von Verpackungen sehr hilfreich, da sie eindeutige, klar definierte Kriterien sind, an Hand derer die Konformität der Verpackung bewertet werden kann. Viel schwieriger wird es dort, wo es keine klaren Grenzwerte gibt: z. B. im Bereich NIAS.

    Sie referieren über “Kombination von in-vitro Assays und chemischer Spurenanalytik für die Risikobewertung von NIAS”. Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Die Risikobewertung von NIAS  stellt Verpackungshersteller vor Herausforderungen, die mit derzeitigen analytischen Methoden oft nicht zufriedenstellend gelöst werden können. In der Regel können nicht alle NIAS verlässlich identifiziert werden. In-vitro Bioassays, die nicht spezifische chemische Substanzen, sondern eine biologische Wirkung (z. B. Schädigung der DNA) detektieren, können hier eine wertvolle Ergänzung zur chemischen Spurenanalytik darstellen. Bei der Bewertung von Medizinprodukten aus Kunststoffen setzen wir solche Methoden bereits seit langem ein – die immer weiter steigenden Anforderungen an die Sicherheitsbewertung von Verpackungen machen diese Methoden jetzt auch für Lebensmittelkontaktmaterialien interessant.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihrem beruflichen Aufgaben?

    Zeit mit meinen Kindern verbringen – für alle anderen Hobbies (Fußball, Volleyball, Schach, Reisen, …) ist leider immer weniger Zeit da …

     

  • Aktualisierte Stellungnahme zu Gehalten an Styrol-Oligomeren in Lebensmittelsimulanzien

    Aktualisierte Stellungnahme zu Gehalten an Styrol-Oligomeren in Lebensmittelsimulanzien

    Das Bundesinstitut für Risikobewertung (bfr) hält gesundheitliche Risiken durch die gemessenen Gehalte an Styrol-Oligomeren in Lebensmittelsimulanzien für unwahrscheinlich. Dieses geht aus einer aktualisierten Stellungnahme 023/2016 vom 21. April 2016 hervor.

    Polystyrole sind Kunststoffe, die auch für Lebensmittelkontaktmaterialien wie Verpackungen oder Geschirr eingesetzt werden. Bei der Herstellung entstehen neben Polystyrol auch kleinere Moleküle (Styrol-Oligomere), die aus dem Material in das Lebensmittel übergehen können. Von einem Labor der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurde ein Übergang (Migra-tion) von Styrol-Oligomeren bis zu 51 Mikrogramm je Kilogramm Lebensmittelsimulanz (μg/kg) gemessen.

    Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat bewertet, ob von diesen Übergängen ein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher ausgeht.
    Insgesamt ergibt sich auf Grundlage von publizierten toxikologischen Daten, dass bei Übergängen von Styrol-Oligomeren in der gemessenen Höhe auf Lebensmittel keine gesundheitlichen Wirkungen anzunehmen sind.

    Auf seiner Website hat das bfr das Risikoprofil der gemessenen Styrol-Oligomer-Gehalte in Lebensmittelsimulanzien veröffentlicht, um das beschriebene Risiko zu visualisieren. Es ist nicht dazu gedacht, Risikovergleiche anzustellen und soll nur in Zusammenhang mit der Stellungnahme gelesen werden.