Schlagwort: Marine Littering

  • Prof. Achim Grefenstein über recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen

    Prof. Achim Grefenstein über recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen

    Das Inno-Meeting gilt als deutschsprachiger Branchentreff für Entscheider der Flexpack-Industrie. Was versprechen Sie sich persönlich von Ihrem Beitrag?

    Es ist eine gute Gelegenheit, ein breiteres Fachpublikum darüber zu informieren, dass es mitterweile möglich ist, auch Hochbarriereverpackungen für die Kreislaufwirtschaft herzustellen. Polyethylen ist dafür das optimale Material.

    Der Themenschwerpunkt beim diesjährigen Inno-Meeting liegt auf „Handeln“. Anders ausgedrückt: Zeit zum Umdenken. Was fällt Ihnen spontan zu diesem Thema – bezogen auf Verpackungen und Verbraucheranforderungen – ein?

    Das Thema der Umweltbelastung, z. B. Marine Littering durch Verpackungen, beschäftigt zu Recht eine große Zahl an Konsumenten. Für die Verpackungshersteller ist dies eine große Verantwortung, durch aktives Handeln umweltfreundlichere Verpackungen zu entwickeln und in den Verkehr zu bringen.

    Wie bringt Ihr Unternehmen Handeln nach Ihrer Definition zum Ausdruck?

    Erstens durch unsere öffentlich kommunizierte Absicht, unser gesamtes Produktportfolio bis 2025 durch recyclingfähige Alternativen ersetzen zu können, was umfassende R&D-Aktivitäten in den nächsten Jahren erfordern wird. Zweitens dadurch, dass Constantia Flexibles kürzlich in Indien die weltweit erste Fabrik eröffnet hat, die ganz auf die Herstellung neuer recyclingfähiger Verpackungen ausgelegt ist.

    Ihr Thema lautet „Recyclingfähige Hochbarriere-Verbunde für Lebensmittelverpackungen“. Was wird Ihre Kernaussage sein, und wo sehen Sie für den Zuhörer in erster Linie den Nutzen?

    Es gibt keine Alternative zu einer Kreislaufwirtschaft auch im Bereich Verpackungen. Die anerkannt gute Ressourceneffizienz (Stichwort Klimawandel) von Kunststoffverpackungen steht mittlerweile nicht mehr im Widerspruch zu einem hochwertigen Recycling von mehrlagigen Barriereverpackungen. Kunststoffverpackungen sind damit auch in Zukunft ein wesentlicher Teil der Lösung aktueller Umweltprobleme im Bereich Verpackung.

    Warum hat Constantia Flexibles in Pirk ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum aufgebaut?

    Neben der traditionellen Stärke bei der Entwicklung von aluminiumhaltigen Verpackungen hat Constantia Flexibles durch die Bündelung und Verstärkung unserer R&D-Aktivitäten auch im Bereich Kunststoff eine bei Kunden und Lieferanten geschätzte umfassende Expertise aufgebaut.

    Was entwickeln Sie und Ihre Kollegen in Ihrem Forschungszentrum?

    Wir testen neue Rohstoffe und Verarbeitungskonzepte und entwickeln daraus nachhaltige Laminatstrukturen für unterschiedlichste Anwendungen in den Bereichen Consumer- und Pharma-Packaging in enger Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und sonstigen Technologiepartnern.

    Wie wollen Sie Barrierefolien recycelfähiger machen? Ist das nicht ein Widerspruch in sich, da man immer unterschiedliche Materialien brauchen wird, die schwer zu recyceln sind?

    Bei unserer neuen Produktlinie „EcoLam“ haben wir neben Polyethylen nur die minimal nötigen Barriereschichten eingesetzt, die zudem mit PE kompatibel sind. Die Recyclingfähigkeit unserer Einstoffverbunde wurde u. a. von unabhängigen Instituten im Rahmen der Recyclass-Initiative der europäischen Kunststoffrecycler nachgewiesen.

    Welche Anstrengungen muss die Verpackungsindustrie unternehmen, um dem Plastik-Bashing entgegen zu wirken?

    Wir haben uns im Rahmen von Wertschöpfungsketten übergreifenden Projekten wie CEFLEX (Circular Economy in Flexible Packaging) in Zusammenarbeit mit Herstellern von Verpackungen, Markenartikeln, Rohstoffen und Recyclingunternehmen auf Mindeststandards zur Recyclingfähigkeit geeinigt. Diese sind mittlerweile so oder sehr ähnlich auch in die nationalen Standards übernommen worden. Diesen Weg muss unsere Industrie weitergehen. Nur wenn wir trotz aller Einzelinteressen mit einer Stimme sprechen, welche auch die physikalischen und naturwissenschaftlichen Realitäten berücksichtigt, können wir letztlich auch den Konsumenten sinnvolle Lösungen vermitteln.

    Wie schätzen Sie persönlich die Zukunft von Kunststoffverpackungen ein?

    Entgegen der landläufigen Meinung vieler Konsumenten, sehe ich die Kunststoffverpackung als großen Teil der Lösung an, wenn wir konsequent auf Recycling setzen und uns nicht in Nischenanwendungen wie bioabbaubaren Polymeren verzetteln. Diese bauen nämlich meist nicht in der Umwelt oder gar im Meer ab und emittieren bei dem Abbau die Treibhausgase CO2 oder Methan.

    Papier hat von Hause aus keine guten Barriereeigenschaften, um Lebensmittel vor dem Verderb zu schützen. Zusätzliche Barriereschichten können schnell auch das klassische Papierrecycling stören. Die Papierindustrie hat bei der Definition des richtigen „Design for Recycling“ sicher noch einige Hausaufgaben zu machen. In der näheren Zukunft kann ich mir mit Papier bestenfalls mittlere Barrierewerte vorstellen. Zudem ist bei vielen Anwendungen die Dicke und damit auch der CO2-Ausstoß pro m² Verpackung höher als mit Kunststoff.

    Unsere Teilnehmer möchten die Referenten auch gern persönlich besser kennenlernen. Deshalb noch eine letzte Frage: Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben besonders?

    Ich gehe sehr gern mit meiner Familie in der Natur wandern oder treibe Sport, wie zum Beispiel Tennis.

    Professor Dr.-Ing. Achim Grefenstein, geboren 1965, studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau Fachrichtung Kunststofftechnik. Von 1990 bis 1996 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und später Abteilungsleiter „Extrusion/Weiterverarbeitung“ am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), wo er 1994 promovierte und 1998 im Bereich Kunststoffaufbereitung habilitierte und bis heute die Vorlesung „Kunststoffaufbereitung und Recycling“ unterrichtet.

    Von 1996 bis 2004 war er bei der BASF AG, Ludwigshafen, zunächst in der Anwendungstechnik Thermoplaste, später in der Geschäftseinheit Styrolpolymere als Projekt- und Teamleiter tätig. Gemeinsam mit seinem konzernübergreifenden Team entwickelte er neue Folientechnologien für KFZ-Karosseriebauteile aus Kunststoff und führte diese, gemeinsam mit Partnern aus der Extrusions-, Spritzgieß- und Automobilindustrie, in den Markt ein.

    Von 2004 bis 2013 war er als Director Corporate R&D für die gesamten Entwicklungsaktivitäten, das Patentwesen und die Markteinführung neuer Produkte der RKW SE, Frankenthal verantwortlich. Als europäischer Marktführer im Bereich flexible Folien produziert RKW Folien, Compounds und Vliestoffe für diverse Märkte, wie Hygiene & Medical, Verpackung, Bau und Agrar. Ab Oktober 2011 war er zusätzlich als Produktmanager auch kommerziell für das Etikettenfoliengeschäft der RKW-Gruppe zuständig.

    Seit 2013 ist er als Senior Vice President Group R&D bei Constantia Flexibles GmbH, Wien für die weltweiten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der beiden Geschäftsbereiche Consumer und Pharma-Packaging (bis zum Verkauf in 2017 auch Labels) und das Patentwesen verantwortlich.  

    Für die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) e.V., Bad Homburg leitet er seit 2016 die Experten-Arbeitskreis zum Thema Bioplastics.


  • Ist das Verpackung und kann das weg?

    Ist das Verpackung und kann das weg?

    Sind Verpackungen ihre Mühe und das Geld wert, was wir Verpacker ihr zuschreiben? Daran zweifelt der aufmerksame Laie. Zu dem Schluss komme ich auch aufgrund des Ergebnisses der neuesten DVI-Umfrage. Fast die Hälfte (45,4 %) der repräsentativ befragten Gruppe von Bundesbürgern fühlen sich mitverantwortlich an der medial bereits schon so benannten „Kunststoffkatastrophe“, der Vermüllung der Meere und allem, wofür die Verpackung sonst noch mitbeschuldigt wird.

    Auf die Frage jedoch, was jeder einzelne für sich zur Erhöhung der Nachhaltigkeit tun wolle, war schon auf Platz drei die Verpackung (mehr unverpackt kaufen, weniger Versandhandel etc.). Aber wer weiß, ob das hilft und auch wirklich besser wäre? Welche Art des Handelns ist CO² neutraler? Unverpackt einkaufen und nur die Produkte konsumieren, mit denen das klappt? Oder ganz auf Online-Handel verzichten und selber zum Supermarkt fahren und die Produkte dort selber „abholen“? Wer weiß das schon, und wer kann das fundiert ausrechnen? Daran arbeiten einige spezialisierte Institute wie IFEU oder denkstatt. Doch die Ergebnisse sind bisher noch Momentaufnahmen und Einzelbewertungen ganzer Produktzyklen, in denen die Verpackung und der Vertriebskanal meistens eine untergeordnete Rolle einnehmen.

    Doch stände es unserer Flexpack-Industrie – und da beziehe ich die Markeninhaber und den Handel mit ein – gut zu, hier Klarheit zu schaffen und einfache Fragen zu beantworten wie:

    • Mehrweg oder Einweg – was ist besser für Produkt xy?
    • Folienverpackte Gurke oder unverpackte Gurke – was nützt uns und der Umwelt mehr?
    • Multimaterial-Standbeutel oder Mono-Blechdose – was ist optimaler für Mensch und Natur?

    Mir fällt es auf jeden Fall leichter, auf Fernreisen zu verzichten, als auf den Supermarkt mit frischen und gut verpackten Produkten.

    Aber vielleicht brauchen wir uns auch gar nicht immer nur über Verzicht streiten. Ein Schub hin zu optimierten Verpackungen, minimalisierten Materialeinsätzen bei optimiertem Verbrauchernutzen bringt sicher mehr, als wenn die Bildungselite aus Berlin Mitte alles versucht, unverpackt zu kaufen, wenn sie nicht gerade Yoga auf Bali studiert.

    Ich denke, für unsere Diskussion ist es sinnvoll, wenn wir uns auf den Einflussbereich konzentrieren und nicht alles in einen Topf werfen, wie es natürlich medienwirksamer wäre. Ich denke, wir müssen die neuen  Schulaufgaben machen und u. a. die drei o. g. Fragen kompetent und ideologiefrei beantworten lernen. Das ist ein Prozess, der uns sicher einige Jahre begleiten wird, da es grundlegende Fragen sind, die sich wie alles in der Welt im Kontext des Weltgeschehens permanent verändern. Was heute verwerflich erscheint, galt früher als Fortschritt. Wenn wir heute den Online-Handel anprangern, so kann er doch die Zukunft nachhaltiger gestalten. Wie das gehen kann? Eine These von Stefan Munz https://www.innoform-coaching.de/co_neu/de/referenten/stefan-munz in seinem Interview zur anstehenden Tagung http://um.innoform.de in Würzburg lautet:

    …“ In zwanzig Jahren werden wir nicht mehr über Multi- oder Omni-Channel reden. Zukunftsforscher sagen voraus: Im No-Line-Commerce werden Online- und Offline-Welten zu einem grenzenlosen Shoppingerlebnis verschmelzen. Jeder kann zu jeder Zeit alles kaufen. Produkt-Informationen werden überall verfügbar sein. Verbesserte Mobilfunkstandards und Endgeräte sowie moderne Logistikkonzepte werden das ermöglichen. Der Convenience-Bereich wird weiter wachsen, die personalintensive Frische-Theke wird zur Rarität.

    Die Entsorgung wird dann Multi-Channel sein. Ausgediente Waren, die keinen Nutzwert mehr haben, aber noch einen Rohstoffwert besitzen, werden online gehandelt und nicht mehr nur an der Straße entsorgt. Der Recy-Commerce wird sich als Geschäftsmodell des Urban Mining etabliert haben.

    In fünfzig Jahren werden Verpackungen dann endlich der Natur nachempfunden sein. Sie sind dann so intelligent und kreislauffähig wie die Bananenschale es heute bereits ist.“… Quelle: https://www.innoform-coaching.de/blog/2019/03/21/stefan-munz-ueber-orientierungshilfen-zur-bemessung-der-recyclingfaehigkeit/


    http://um.innoform.de

    So ist das, was wir im Moment mit dem Online-Handel entwickeln und erproben, ein Beispiel für die Entsorgung von übermorgen. Noch weiß niemand, wie es sich wirklich entwickelt. Aber unserer Branche muss es nicht an Zuversicht mangeln. Doch brauchen wir Innovationen, die ihren Namen verdienen und visionäre Ansätze wie den eben zitierten. Und eines sollte schnell passieren – Kommunikation mit dem Kommunikationsmedium Nr. 1 verbessern – der Verpackung und zwar zu dem, der alles bezahlt – dem Verbraucher.

    • Warum berechnen wir nicht für die wichtigsten Lebensmittelverpackungen die optimale Kombination aus Form und Material? Nur damit wir es erst einmal wüssten …
    • Warum kommunizieren wir nicht die Gründe für unsere Verpackungswahl? Nur damit der Verbraucher uns mehr (zu)traut …
    • Warum benennen wir so selten echte Verpackungsmängel bei den Entscheidern – z. B. den Marketiers? Nur damit wir einen Beitrag zur Nachhaltigkeit da leisten, wo er wirkt …

    Es sind andere Interessen, die uns an all dem scheinbar hindern. Doch langfristig erfolgreich werden die sein, die zunächst sich und dann den Interessierten diese und viele weitere, grundlegende Verpackungsfragen beantworten.

    Wir möchten bei unserer Tagung in Würzburg einen Teil dazu beitragen und laden alle ein mitzuhelfen, die richtigen Verpackungen zu entwickeln und zu verbreiten.

    Karsten Schröder, März 2019

  • Verpackungsindustrie in den Fängen hipper Verbraucher

    Verpackungsindustrie in den Fängen hipper Verbraucher

    carrot-1085063_1920_kleinEssen Sie noch Bioprodukte oder schon vegan? Kaufen Sie Ihr Müsli beim Discounter oder bestellen Sie Ihr Designmüsli schon im Netz? Machen Sie eine Medien- oder Plastikdiät oder wollen Sie tatsächlich noch an Gewicht abnehmen?

    Marketiers suchen und finden solche Schlagzeilen und folgen ihnen mit entsprechenden Produkten. Der vegane Schlachter und der „Müslidesigner“ werden erfunden und suggerieren: Das musst du haben, um hipp und dabei zu sein. Auf dem Weg ins Büro noch eben einen Coffee to go im recycelten Kaffeesatz-Becher  und ein Bio-Brötchen auf die aus Blättern hergestellte Schale oder gleich auf die Hand – natürlich umweltfreundlich und nachhaltig produziert und erstanden im neu auferstandenen „Tante-Emma-Laden“ namens Unverpackt.

    Haben Sie sich beim Schmunzeln oder beim Ärgern über diese Zeilen ertappt? Gehören Sie schon zur neuen, hippen Digitalgesellschaft ohne festen Arbeitsplatz, mehreren, fast abgeschlossenen Ausbildungen umgeben von „Startuppern“ und Selbstverwirklichern oder rücken Sie noch Tag für Tag ein in Ihr Büro mit klar strukturierten und fest gezurrten Abläufen und Abteilungen? Sie sind doch Single – oder haben Sie etwa eine eheähnliche Beziehung? Wo leben denn Ihre Kinder? Oder hatten Sie noch keine Gelegenheit dazu? Aber die müssen doch auch noch irgendwie rein ins hippe Leben…

    Eine Gesellschaft voller Zweifel, Hoffnung und wenig Revolutionärem stellt sich dem Medienkonsumenten und Verpackungskonsumenten dar. Aber gilt das auch (schon) für Verpackungen? Fertigen wir bald nur noch biologisch abbaubar und nachhaltig beim Flexpacker um die Ecke? Regionaler Zucker aus regionalem Anbau im regionalen Standbeutel aus Zuckerrohr-Polymerisat als ideale Single-Haushaltverpackung to go?

    Was passiert da in der medialen Wahrnehmung und im tatsächlichen Leben der Masse? Sind das nicht alles überzeichnete Einzelschicksale, von denen wir in Funk und Fernsehen – oder besser gesagt in Social Medias und Blogs hören, lesen und uns darüber wundern? Verlieren wir auch in der Verpackungsindustrie langsam die Lust am Gewöhnlichen und müssen jeden noch so kleinen und vielleicht sogar verwerflichen Trend mitmachen? Sollen wir nur auf Kundenwunsch oder besser Kundendruck hin entwickeln?
    Oder ist es an der Zeit, das Image der Verpackung einmal selber in die Hand zu nehmen und von Innovations-Pull auf Innovations-Push umzudenken und umzulenken? Sollten wir nicht als Industrie der Packmittelhersteller und -verwender zu einer Road-Map gelangen können, die uns zumindest die nächsten 10 Jahre klar macht, welche Trends wir als sinnvoll erachten und die wir so setzen werden? So, wie es die Auto- und Maschinenbau-Industrie seit Jahrzehnten tut? Mir kommt gelegentlich die Packmittelindustrie vor wie ein Taxi-Unternehmen, dass sich auch noch die Autos vorschreiben lassen möchte, mit dem es die Kunden fährt.

    Wo sind eigentlich die klaren Statements der Verbände und Universitäten, der Unternehmer und Aufsichtsräte hinsichtlich der weiteren Bemühungen hin zur Kreislaufwirtschaft? Wie gehen wir um mit der Verpackung nach dem Gebrauch – weltweit betrachtet? Ist das Duale System die Lösung für Europa oder gar für die Welt?

    Wie werden Polymere in 10, 20 oder sogar 30 Jahren für Verpackungen gewonnen? Was ist die Aussage zum Marine Littering (vor allem Plastikmüll/Verpackungsmüll im Meer)? Sind wir als Kunststoffverarbeiter nicht auch im Boot, genau wie die Kunststoffproduzenten, die sich ach so gern aus allem heraushalten, auch wenn mal eine Pipeline leckt?

    vegetables-576251_1280_kleinIch denke, es wird dringend Zeit, auch auf internationaler Ebene als Packmittelindustrie – sogar unabhängig vom Packstoff – eine klare Aussage zu erarbeiten, die deutlich macht, welchen Nutzen Verpackungen stiften und welche Hausaufgaben noch vor uns liegen. Ansätze wie der Tag der Verpackung gibt es, aber reicht das? Dazu einige konkretere Gedanken:

    Wir werden es nicht schaffen, allen Konsumenten zu vermitteln, dass Mülltrennung ihre Aufgabe ist. Das gilt besonders global. Stoffströme werden nie ideal verlaufen und Polymerrecycling gelingt in den wenigsten Fällen ohne Qualitätseinbußen. Denkt man dieses weiter, kommt man zu zwei zukunftsweisenden Lösungsansätzen, die weitgehend anerkannt sind und u. a. auf chemische und biologische Kreisläufe, das Cradle to Cradle Konzept von Professor Braungart, zurückgehen:

    1. Chemische Kreisläufe

    beaker-145920_1280_kleinBei chemischen Kreisläufen hält man die Zahl der eingesetzten Chemikalien gering und vor allem unter stetiger Kontrolle. Ein Beispiel dafür ist, dass Kunststofffenster verliehen werden und der Produzent diese nach einer vereinbarten Laufzeit wieder zurückerhält, um daraus wieder Kunststofffenster herzustellen. Das hat mehrere Vorteile:

    Der Produzent achtet aus Eigeninteresse darauf, dass Rohstoffe verwendet werden, die gut wiederverwertet werden können. Zudem achtet er auf eine Qualität, die der Nutzungsdauer angemessen ist, um wenige Reklamationen zu erhalten.

    Der Konsument hat kein Entsorgungsproblem und kein Qualitätsproblem mehr. Auch die Finanzierung kann flexibel gestaltet werden, da er nicht mehr mit einer klassischen Bank, sondern dem Produzenten selbst über das Verleihen seines Fensters verhandeln kann. Der Hersteller wird selber zur „Materialbank“. Je besser seine Qualität und sein Wirtschaften mit Rohstoffen, umso besser für alle. Mit jedem Fenster, das er zusätzlich verkauft und montiert, steigt das Eigenkapital des Produzenten und es sinkt die Ressourcenverschwendung. Langfristig muss das profitabler sein als das heutige, an Geld und Entsorgung gekoppelte System, da ja das, was wir eigentlich nutzen möchten – der Rohstoff – erhalten bleibt, ohne dass permanent Kapital generiert werden müsste, um Wachstum zu erzeugen.

    1. Biologischer Kreislauf

    compost-419261_1920_kleinHier spielt die Natur die dominierende Rolle, auch wenn der Mensch ihr dabei gehörig ins Handwerk pfuschen wird. Wir nutzen die Natur – z. B. Pflanzen – um Rohstoffe zu gewinnen, die wir der Natur wieder zurück geben können. Also nicht nur Biopolymere, die aus Pflanzen stammen, sondern eben auch solche, aus denen wieder Pflanzen wachsen können. Also bio-basierte (bio-based) Materialien, die aber auch bioabbaubar (bio-degradable) sind. Der große Vorteil dieser Polymergruppe besteht darin, dass man sie so designen könnte, dass sie auch ohne funktionierende Sammel- und Entsorgungssysteme in die Natur „entlassen“ werden, wieder nutzbringend sind und nicht hunderte von Jahren in Meeren treiben und Fische malträtieren.

    1. Hybride Kreisläufe

    arrows-381439_1280_kleinMomentan favorisieren viele die Mischung aus beiden Kreisläufen mit mehreren möglichen Abzweigungen in andere Kreisläufe, aber eben auch in Sackgassen wie die Verbrennung. Wird beispielsweise ein Biomaterial verbrannt, bleiben zwar seine kleinsten Bausteine (Atome) in Form von Abgas und Schlacke erhalten, diese werden aber nur bedingt wieder zu Pflanzen wachsen können, aus denen wir wieder Biokunststoff gewinnen. Aus den Abgasen (z. B. Kohlendioxide etc.) kann man sich das noch zum Teil vorstellen. Aus der Schlacke aus unseren Hochöfen oder Zementwerken eher nicht, da sie unkontrolliert kontaminiert sind. Wir wissen einfach zu wenig über das, was drin ist und noch weniger darüber, wie es wechselwirkt. Das ist eine Sackgasse, schont aber auch die Ölreserven in doppelter Hinsicht – beim Rohstoff, da Bio und bei der Energiegewinnung.

    Welche Option sich nun die Verpackungswirtschaft wünschen würde, gäbe es dafür Gremien aus kompetenten Rädelsführern, die sinnvolle Vorgaben entwickelten, denen echtes Kreislaufdenken zugrunde läge, bleibt abzuwarten.

    Beide Systeme schließen sich auch nicht aus und könnten betrieben werden. Auch Kombinationen sind gut denkbar und bergen spannende Synergien. Nur konkret nachdenken müssen die, die es in erster Linie angeht, da es ihre Existenzgrundlage tangiert – uns Stakeholder der Verpackungsindustrie eben. Doch zu groß sind seit den 1990er Jahren die Wachstumsraten, zu bequem war der Weg hin zu den blühenden Familienunternehmen, die sich zusehends in Multinationale Konzerne umformen. Doch die Zeit scheint reif für Veränderung. Das Neue daran: Es sind nicht pekuniäre Überlegungen, die zum Umdenken zwingen. Es ist ein, wenn auch noch zarter, neuer Life-Style, eine neue Grundhaltung der Jugend, der nicht mehr die Welt in Verpackungen versinken lassen möchte, auch wenn alle Fachleute sich einig sind, dass der Nutzen größer ist als der Schaden. Doch gilt das auch im Zeitalter von Shitstorm und Internet? Wird es uns gelingen, kluge Wege zu finden, um Verpackung wieder attraktiver für Konsumenten zu machen und verträglicher für unsere Umwelt? Ich bin Optimist und schreibe deshalb diese Gedanken auf.

    Ihr Karsten Schröder