Schlagwort: Umweltverschmutzung

  • Frau Dr. Sabine Amberg-Schwab über bessere Verpackungen mit bioabbaubaren und recycelbaren Barrierematerialien

    Frau Dr. Sabine Amberg-Schwab über bessere Verpackungen mit bioabbaubaren und recycelbaren Barrierematerialien

    Der Themenschwerpunkt bei der diesjährigen Barriere-Verbundfolien-Tagung liegt auf einfach, optimal und recycelfähig. Ist das Ihrer Meinung nach überhaupt möglich?

    Verpackungsmaterialien müssen Produkte optimal schützen, Haltbarkeiten garantieren und optisch ansprechend für den Verbraucher sein. Das stellt hohe Anforderungen an die dafür eingesetzten Materialien. Inzwischen gibt es heute aber immer bessere Lösungen, die Produktionsprozesse vereinfachen und vor allem einfacheres Recycling ermöglichen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf unsere bioORMOCER®-Beschichtungen hinweisen, mit Hilfe derer Monomaterial-Verpackungen möglich werden, die dann ganz einfach zu recyceln sind. Insofern ist „einfach, optimal und recycelfähig“ keine Wunschvorstellung mehr, sondern kann in die Praxis umgesetzt werden.

    Welchen Schwierigkeiten sehen sich Verpackungshersteller gegenüber?

    Veränderungen umzusetzen erfordert Mut, denn Umstellungen auf andere Materialien bedeutet auch immer ein Risiko im Ablauf funktionierender Produktionsprozesse. Verpackungshersteller versuchen daher, so lange wie möglich in bewährten Bahnen zu laufen. Auch Kunden steigen ungern auf neue Verpackungsmaterialien um. Am einfachsten wäre es, Hersteller und In-Verkehrbringer starteten ein gemeinsames Projekt mit innovativen, recycelfähigen Verpackungsmaterialien.

    Mit welchen unerwünschten Konsequenzen müssen Verpackungsherstellerbei der Verwirklichung dieser Forderungen rechnen?

    Verpackungshersteller sind durch das neue Verpackungsgesetz gehalten, den Recyclinganteil hochzufahren. Das ist nicht einfach und verlangt Veränderung.

    Die Tagung Barriere-Verbundfolien findet im zweijährigen Zyklus statt. Was waren Ihrer Meinung nach die größten Fortschritte in der Entwicklung innerhalb der letzten zwei Jahre? Können Sie Anwendungsbeispiele nennen?

    Die vergangenen zwei Jahre haben in vielen Bereichen gezeigt, dass der Verpackungsmarkt im Wandel ist. Es kommen neue Materialien auf den Markt, junge kreative Start-ups zeigen, dass man Verpackung neu denken kann. Vielfach auf Naturmaterialien basierend, gibt es neue Verpackungsmöglichkeiten. Jetzt fehlen diesen Materialien vielfach noch die notwendigen Barriereeigenschaften. Aber da gibt es passende Lösungen, wie zum Beispiel unsere bioORMOCER®-Beschichtungen.

    Wo sehen Sie in naher Zukunft bahnbrechende Veränderungen im Barrierefolienbereich insgesamt und bezogen auf Barriere im Speziellen?

    Es wird einen Umstieg auf Monofolien geben, um zukünftig die Recycelfähigkeit gewährleisten zu können. Barrierematerialien werden außerdem biobasiert und bioabbaubar, um zukünftig die Umweltverschmutzung zu begrenzen und unabhängiger von fossilen Ressourcen zu werden.

    Ihr Thema lautet „Bessere Verpackungen wagen mit bioabbaubaren und recycelbaren Barrierematerialien“. Was wird Ihre Kernaussage sein, und wo sehen Sie für den Zuhörer in erster Linie den Nutzen?

    Wir wollen zeigen, dass anspruchsvolle Barrierematerialien auch mit bioabbaubaren und recycelfähigen Materialien möglich sind. Unsere bioORMOCER®-Beschichtungen sind optimal auf Industrieprozesse eingestellt, wir freuen uns darauf, dass weiterhin mutige Kunden auf uns zukommen, um ihre Verpackungsmaterialien gemeinsam mit uns umzustellen. Es ist alles möglich!

    Bei welchen Verpackungen wird es Ihrer Meinung nach mit der Barriere übertrieben und warum?

    Sicher gibt es Verpackungen, bei denen man geringere Barrieren bräuchte. Allerdings spielen die Anforderungen des Handels auch eine wichtige Rolle, denn die Produktsicherheit entlang der Wertschöpfungskette von der Produktion über die Logistik bis hin in den Laden muss gewährleistet bleiben, damit nicht die (optische) Haltbarkeit schon bei Auslieferung am Ultimo ist und Produkte frühzeitig entsorgt werden müssen. Das ist dann auch keine Lösung, denn letztendlich will der Kunde ein optisch ansprechendes und sicheres Produkt.

    Wie schätzen Sie persönlich die Zukunft (Barriere-)Verbundfolien ein?

    Barriere-Verbundfolien im herkömmlichen Sinne werden in Zukunft ausgedient haben, denn es gibt inzwischen innovativere Lösungen, die recycelfähig sind. Dennoch benötigen wir leistungsstarke Barriere-Materialien, denn es ist nicht erkennbar, dass sich unser Lebensstil, alles und jedes zu jeder Zeit verfügbar zu haben und um den Globus transportieren zu können, ändern wird. Barriere-Monofolien sind hier eine Lösung und sie werden die Verbundfolien peu á peu ersetzen.

    Unsere Teilnehmer möchten die Referenten auch gern persönlich besser kennenlernen. Deshalb noch eine letzte Frage: Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben besonders?

    Bei meinen anspruchsvollen Aufgaben im Fraunhofer Institut brauche ich einen Ausgleich und das ist für mich Sport. Häufig im Fitness-Studio, aber ab Frühjahr dann auch immer wieder draußen. Ich liebe die Natur und vielfach ist sie für mich Inspiration für neue Ideen. Denn die Natur ist so perfekt, wir müssen nur genau hinschauen… Die Herausforderung ist dann allerdings, diese Perfektion in Technik zu übertragen, das ist für mich ein absoluter Reiz und Ansporn.

    Dr. Sabine Amberg-Schwab hat an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg Biologie und Chemie studiert und ihre Promotion am Institut für Anorganische Chemie an der Universität Würzburg absolviert. Danach begann sie, am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC als Wissenschaftlerin an der Entwicklung neuer Beschichtungsmaterialien zu arbeiten.
    Frau Dr. Amberg-Schwab ist Leiterin der Abteilung “Funktionelle Barriereschichten. Sie und ihr Team haben die Materialklasse der Hybridpolymere weiterentwickelt. Dazu gehören die bioORMOCER®, die für komplexe Spezialanforderungen im Verpackungsbereich angepasst werden können. Sie zeichnen sich durch Bio-Abbaubarkeit, exzellente Barrierewirkung und weitere funktionelle Eigenschaften aus.

    Im Jahr 2005 erhielt sie für ihre Entwicklungsarbeiten im Bereich der antimikrobiellen Beschichtungen den ICE Preis (International Coating Exhibition).

    2011 konnte sie den Fraunhofer-Preis für ihre Entwicklungsarbeiten zu low-cost Barrierefolien für die Verkapselung von Solarzellen entgegennehmen. Dieser Preis wird seit 1978 jährlich von der Fraunhofer-Gesellschaft für herausragende wissenschaftliche Leistungen an Fraunhofer-Mitarbeitende verliehen, die zur anwendungsorientierten Problemlösung führten.

    2018 hat sie den „New Plastics Innovation Prize“ der Ellen-MacArthur-Foundation für die Entwicklung der bioORMOCER® gewonnen, der ihr am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos in der Kategorie Circular Materials Challenge verliehen wurde.

  • Wo sind die Querdenker?

    Wo sind die Querdenker?

    Nicht nur in den deutschen Medien häufen sich die negativen Meldungen zum Thema Verpackung und Umwelt. Filme wie Plastic Planet oder Beiträge zu Lebensmittelskandalen, die auf Verpackungen basieren häufen sich und verunsichern Verbraucher, Politiker und natürlich auch Entscheider aus Handel, Lebensmittel- und Verpackungsindustrie. Und was dann kommt ist der übliche Reflex: Gegendarstellungen, Studien und Behauptungen aller Art, welchen Segen doch die Verpackung für uns Menschen bedeute. Aber eben auch Auslistung von Bio-Tragetaschen bei Aldi und andere überhastete Alleingänge, die den Rationalen unter den Experten nur schwer erklärlich sind. Doch was kann anders werden in dieser unendlichen Debatte? Welche Rolle kann die Druck- und Verpackungsindustrie neu einnehmen? Welche Rolle müssen Universitäten in Zukunft soielen? (auch erschienen in www.WRAPPED.com 4/2015

    Wussten Sie schon, dass bei den Ökobilanzen, die ja schwer im Trend liegen, die Verpackung bei der Betrachtung von Lebensmitteln insgesamt weniger als 1 % des Fußabdruckes in der Umwelt hinterlässt? Haupt-Umweltverschmutzer sind unsere schlechten Gewohnheiten. Wir Konsumenten selbst müssen etwas ändern. Das bringt einen überragenden, positiven Nutzen. Die Medien stürzen sich aber lieber auf Müllstrudel im Meer. Das führt zum Negativ-Image unserer Wohlstandsgrundlage – der Verpackung.

    Endlich muss eine dritte Alternative her. Wir brauchen keine weiteren Kompromisse mit neuen Grenzwerten oder das Tragetaschenverbot. Ich schlage vor, durch eine von unserer Industrie initiierte Debatte, ganz neue Anstöße einzubringen und dadurch neue Denkansätze zu finden. einfache Fragen an den Handel, Lebensmittelhersteller, aber auch an NGO´s zielen in die richtige Richtung und nennen Ängste und Hoffnungen der Stakeholder.

    Wie können wir gemeinsam an der Reduktion von Verpackung und vor allem Verderb von Lebensmitteln arbeiten – auch um Nachhaltigkeitsziele erreichbarer zu machen?
    Wo geht es auch mal ohne Verpackung und wo auf gar keinen Fall?
    Welchen Weg wollen wir gemeinsam bei der Materialwahl einschlagen (Bio-abbaubar, nachwachsende Rohstoffe, klassische Polymere und Metalle oder doch mal wieder mehr Papier)?
    Für welche Lebensmittel können sich Mehrwegsysteme halten und wo erscheinen Einwegsysteme sinnvoller?
    Welche Rolle spielt hier der Trend zur Regionalisierung im Handel?
    Wie kommen wir alle zusammen zu belastbaren Daten – ohne politische und ideologische Färbungen, welche Systeme für welche Lieferprozesse optimal sind?
    Fachleute werden in sich schon die Stimmen hören: Das haben wir doch alles versucht. Wir reden doch ständig mit unseren Kunden. Die Politik soll klare Vorgaben machen – daran halten wir uns dann. Nein – so darf es nicht wieder enden. Wir sind gefordert einen Innovations-Push zu initiieren. Ohne Angst davor zu haben, alte Pfründe einzubüßen. Denn die Geschichte zeigt regelmäßig – ein Mega-Trend ist nicht durch Studien oder Dementi zu stoppen. Hier gibt es nur: Von der Welle mitgerissen zu werden oder auf ihr zu surfen.

    Um die o.g. Fragestellung konstruktiv und professionell bearbeiten zu können, sind heutige Branchenverbände sicherlich nicht ideal geeignet, denn sonst gäbe es ja diese Medienpräsenz und Imageprobleme gar nicht. Hier sind neue, schwungvollere, unvoreingenommenere Kräfte nötig. Warum nicht junge und alte Konsumenten, junge und alte Branchenteilnehmer und junge und alte Aktivisten einbinden, um zu wirklich kontroversen Meinungen und wirklich neuen Lösungen zu gelangen.

    Welchen Auftrag haben die Universitäten?

    Konkret könnte das bedeuten, dass die Universitäten, die ja heute alle eine Nähe zur Industrie suchen, Konferenzen initiieren, bei denen sich genau diese Leute treffen und austauschen. Verpackungsexperten sitzen neben Konsumenten jeglicher Couleur. Vorträge aus allen Blickwinkeln zieren die Agenda – ganz ohne Vertriebs- und Marketingintentionen.

    Warum kann nicht wieder Forschung und Lehre an den Unis Vorreiterrollen einnehmen bei Fragen, die uns als Gesellschaft und unsere Branche in diesem Kontext stark tangieren? Wo sind sie die jungen, wilden Profs mit ihren ungestümen Ideen?
    Wo sind die alten Haudegen der Industrie, die mal die (Verpackungs-)Welt verändern wollten?
    Warum organisieren heute Universitäten Konferenzen, wie sie in Branchen – ja ich würde sagen Lobby-Kreisen – üblich sind und eben nicht mehr solche visionären Non-Profit Zirkel?
    Welchen Auftrag haben die Verpackungs-Universitäten eigentlich?
    Nur das zu lehren, was wir eh schon alle kennen? Oder darf es auch mal wieder auf zu neuen Ufern gehen? Ich denke, dass es gerade heute an der Zeit ist, die noch jungen, aber auch die alten etablierten Verpackungsuniversitäten aufzufordern quer zu denken und nicht den Mainstream abzubilden, Entwicklungsabteilungen der Industrie zu bilden oder einfach nur Dienst nach Vorschrift zu machen. Das Kopieren und Verbreiten bekannten Wissens können andere Länder und Kontinente weit besser leisten als wir Dichter und Denker.

    Karsten Schröder, Geschäftsführer Innoform Coaching